Dienstag, 9. Dezember 2014

War ja nur aus Marzipan.

Zwei Meter neben mir liegt Michel in seinem Stubenwagen und ratzt. Kein Wunder, nachdem ich neulich gelesen habe, Brüllen wäre für Babys so ziemlich das Anstrengendste auf der Welt und er den ganzen Vormittag zerbrüllt hat. Ausgerechnet heute war die Hölle los auf dem Klumpfuß-Flur, man kam kaum durch vor lauter ulkigen Füßen in Maxi-Cosis. Um neun waren wir da, vor zehn Minuten sind wir wieder nach Hause gekommen. Und jetzt trinke ich erst mal einen Tee und atme aus. Eigentlich war es keine große Sache, aber die Nacht war anstrengend. ("Stillen Sie?" fragte der Gipsmann. "Denn dann kriegt das Baby beim Stillen schon Ihre Unruhe mit, kein Wunder, wenn die Nacht nicht so schön war." Irgendwie häufen sich die schlechten Nachrichten über das Stillen gerade. Und wieso wundert mich nicht, dass sie das auch diesmal wieder erst tun, wenn ich mittendrin bin und der Ehrgeiz mich längst in seinen Krallen hat?) Und der Capuccino aus dem Krankenhausautomaten bringt es nicht. Und die Aussicht auf diese vier Wochen, die der Gips jetzt dranbleibt. Und warten war noch nie meine Stärke. Dabei ging es ganz fix und hoffentlich auch schmerzlos: nach schier endlosem Warten auf dem Flur, Gipsmann und Ärztin fegten ständig in größter Hektik vor uns hin und her, zur einen Tür rein, zur anderen wieder raus, wie in einer Volkstheater-Verwechslungs-Komödie, wurde Michel seinen alten Gips los und bekam ein Pflaster auf die Ferse. Das Pflaster enthält ein betäubendes Mittel, das eine halbe Stunde lang in die Haut einwirken konnte. Dann kam das Pflaster ab, die Ferse wurde gründlich desinfiziert, wir durften ihm noch ein Küsschen geben und wurden vor die Tür geschickt - während er erst noch eine lokale Betäubung bekam und dann der Schnitt gemacht wurde. Von drinnen blieb es verhältnismäßig ruhig, fast ruhiger als vorher auf dem Gang, wo Michel die Wände zum wackeln gebracht hatte. Und dann durften wir wieder rein, es wurde gegipst, und da sind wir wieder. Der Gipsmann versicherte uns, er macht das jetzt seit elf Jahren, und noch nie hat der Schnitt sich infiziert. Ich habe beschlossen, diesmal nicht zu erzählen, wie oft ich aus Ärztemund schon den Satz gehört habe "Na sowas, das war noch nie!", sondern mich damit zufrieden zu geben und feste darauf zu vertrauen, dass wir nicht die Ausnahme sein werden. Am sechsten Januar sind wir wieder da. Und dann liegen die Gipse in der Vergangenheit, bis er sich irgendwann vielleicht mal beim Fußball die Haxen bricht.

Oder beim Ballett. Oder beim Yoga oder beim Voguing, klar. Mit deinen Füßen kannst du irgendwann alles, wirklich alles machen, was du willst, kleiner Michel!



4 Kommentare:

  1. Liebe Flora, habe ich das richtig verstanden, dass ihr jetzt schon auf der letzten Etappe der Klumpfuß-Behandlung seid? Das wäre dann ja unglaublich schnell gegangen, finde ich als Laie. Mir war nicht klar, dass man einen Klumpfuß so gut behandeln kann, wenn man gleich damit anfängt.

    Viel Glück euch für den letzten Teil der Behandlung und eine schöne Weihnachtszeit! S.

    AntwortenLöschen
  2. Musste wegen Unwissenheit Voguing bei Youtube nachsehen. Sehr geil!
    Gute Besserung dem Füßchen :-)

    AntwortenLöschen
  3. Ich hoffe, die Zeit vergeht wie im Fluge ;)

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Flora,
    interessiert verfolge ich deine Posts. Auch neben mir liegt ein kleiner Zwerg, der Zwerg ist wie deiner nur wenige Wochen alt und steckt ebenfalls in
    seinen Gipsen fest. Wir wurden im Kreißsaal mit der Fußfehlstellung beider Füße überrascht und wenn dein offener Blog nicht wäre, hätte ich zum ersten Mal das unschöne Wort 'Klumpfuß' gehört. Durch dich wusste ich, dass man die Füße wieder richten kann, sonst wäre ich wahrscheinlich durchgedreht.
    Inzwischen sind wir um viele Physiotherapiestunden und ein paar Gipse reicher! Die Fehlstellung liegt bei ihm jedoch daran, dass er zu lange in einer Position im Bauch eingequetscht lag, eine Achillessehnen-OP war bei uns zum Glück nicht notwendig und inzwischen sehen die Füße fast normal aus. Im Moment hat er Softcasts, mit denen er die Muskelkraft nicht verliert. Gleichzeitig kann die Physiotherapie weiterlaufen, weil man die Gipse abnehmen kann.
    Du hast Recht, alles wird später möglich sein! Ich drücke euch die Daumen, dass Jakob die OP schnell verdaut!
    Anne3

    AntwortenLöschen