Montag, 22. Dezember 2014

Zweimal liegen wir noch wach

Weihnachten ist dieses Jahr ein bisschen wie eine Geburt: prinzipiell sehr, sehr gerne, nur nicht gerade heute. In einer Woche, ok? In einer Woche bin ich bestimmt besser vorbereitet, habe zur Abwechslung ein bisschen geschlafen, weil bis dahin alle nächtlichen Babyprobleme sich in Luft aufgelöst haben; dann ist auch die Bude so weit, alle Vorbereitungen abgeschlossen, der Wickeltisch eingerichtet, die Müesliriegel für die Klinik aufgefüllt, die L. schon wieder aufgegessen hat, die Gästebetten bezogen, Lebkuchen und Lachs und genug Brot für sieben hungrige Erwachsene und drei Tage da. Bestimmt!

Mutti kommt nicht in Stimmung dieses Jahr. Und dabei sind die Bedingungen perfekt. Meine Familie kommt, alle wollen helfen und sagen mir ständig, ich sollte dies nicht machen und das nicht, wenn es mir zu viel wird. Ich bin viel weiter mit den Vorbereitungen als in den letzten Jahren, wieso sich das nicht so anfühlt, weiß ich auch nicht. Jeder kleinste Ärger, der sich am Horizont zeigt, wird von meinem Fusselhirn sofort zur Riesenweihnachtssupergaubedrohung aufgeplustert. L. hat ein Kratzen im Hals? DER DARF JETZT NICHT KRANK WERDEN ALLEINE SCHAFF ICH DAS NICHT! Ich finde die Kerzenständer nicht auf den ersten Blick? DIE SIND WEG OH GOTT WO SIND DIE WEHE L. HAT DIE WEGGEWORFEN! Es sind ein paar Kekse weniger in der Büchse, seit ich das letzte Mal nachgesehen habe? ICH BACK JETZT NICHT ZUM VIERTEN MAL ICH WERDE HIER NOCH ZUM HIRSCH! Und immer so weiter. Viel grinchiger kann man nicht werden als jemand, der Weihnachten eigentlich sehr mag. Gestern war ich schon so weit, dass ich laut Pläne geschmiedet habe für eine Weihnachtsflucht im nächsten Jahr: einmal im Leben, murmelte ich, will ich das auch. Weihnachten ohne Weihnachten. Irgendwo im Warmen, mit einem Getränk ohne Zimt und Rotwein in der Hand, die Zehen im Sand, kein Baum und kein Weihnachtslied und nichts weit und breit. Wieso habe ich jetzt plötzlich diesen Traum? Jetzt, wo ich zwei kleine Kinder habe, deren nächste 18 Weihnachtsfeste mein Job sein werden? Und zwar nicht mit Cocktails am Strand, sondern mit Zimt und Baum und Nervenzusammenbruch und allem?

Ich sollte zur Weihnachtszeit die Finger von Wohnblogs lassen, das ist vermutlich der Grund. Wenn ich sehe, was andere schon Mitte November in ihren kleinen Muckelbuden bewerkstelligen, so romantisch und unkitschig und skandinavisch angehaucht und vollkommen staubfrei, wird mir ganz elend. Die haben auch alle irgend etwas selbstgemachtes, das jetzt in niedlichen kleinen Schachteln oder selbstbedruckten Tüten an die Nachbarn verteilt wird. Ich habe noch nicht mal Karten verschickt bisher, Pixum kommt nicht rum mit meinen bestellten Babyfotokarten, heute muss ich noch zu Budni und dort welche ausdrucken, schnell schnell ein paar akzeptable Karten finden und die losschicken, sonst sitzt Oma Heiligabend ohne da. Ansonsten besteht dieses Jahr die Weihnachtsdeko bisher aus einem Adventskranz. Und dann noch einem inzwischen ziemlich gerupft aussehenden Kranz aus roten Beeren an der Haustür. Das. Wars. Mehr ist hier nicht. Keine beleuchteten Sterne im Fenster, keine Engelchen, kein Goldpapier, die Lichterkette habe ich auch noch nicht ums Balkongeländer gewickelt. Die Weihnachtspyramide, eins der drei Erbstücke von meiner Oma, hat der Hund aus dem Regal geworfen, und nachdem ich eine Weile vergeblich versucht habe, die 72 Bruchstücke wieder zusammenzukitten, habe ich es aufgegeben und sie weggeworfen. Die war echt! Aus dem Erzgebirge! Jetzt liegt sie irgendwo auf einer Müllhalde, zusammen mit Windeln, Bananenschalen und abgenagten Hühnerknochen. Ein deprimierendes Bild, das ich leider nicht aus dem Kopf kriege und das gerade jede Entstehung von Ferrero-Weihnachtsspot-Glanz verhindert. Alles, was ich habe, sind Plätzchen (nicht mehr besonders viele, ABER ICH BACKE HIER NICHT ZUM VIERTEN MAL pssst, schon gut, schon gut! Aaalter.), einen Rotweinkuchen backe ich heute oder morgen noch, und die Familie. Das muss als Deko reichen.

Wieso kann ich das nicht? Rechtzeitig anfangen und dann meinen Frieden haben? Wo sind die letzten Wochen geblieben?
Weihnachten 2014, bisher bin ich kein Fan von Dir. Und das ich daran vermutlich selbst Schuld bin, macht es auch nicht besser.

5 Kommentare:

  1. Ein Adventskranz, ein Weihnachtsbaum mit echten Kerzen. Unaufwändiges Weihnachtsgebäck (Berliner Brot, Nussecken) und Weihnachtsessen. Die Verwandtschaft ist extern untergebracht, keine Weihnachtskarten, sondern ein Neujahrsgruß irgendwann später. Mit Baby das jünger als 12 Monate ist, haben alle Verständnis. Trau dich!
    Fröhliche Weihnachten euch allen!

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  2. Liebe Flora,
    denk einfach daran, dass kein Weihnachten mehr so werden wird wie dieses, nämlich mit zwei wirklich noch kleinen Mäusen, die einfach noch viel Arbeit machen und den größten Teil deiner Zeit beanspruchen. Nächstes Jahr ist alles schon anders sein, du wirst vieles besser und rechtzeitig organisieren können, einfach weil die Jungs schon ein bisschen älter sind und manches automatisch leichter wird. Aber dieses Weihnachten, das ist vor allem deshalb wunderschön, weil ihr es zum ersten Mal zu viert (plus Familie) verbringen dürft, mit zwei (!) wundervollen, gesunden Kindern! Keine Lichterkette und keine Weihnachtspyramide könnten es schöner machen.

    Ein wirklich schönes, gemütliches Weihnachtsfest wünsche ich dir und deinen Lieben!
    Judith

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  3. Du sprichst mir aus der Seele, denn GENAU SO geht es mir in diesem Jahr auch! Furchtbar! Ich würde Weihnachten am liebsten ausfallen lassen! Und dass, obwohl (oder sogar weil?) es das erste Weihnachten zu dritt ist und ich "eigentlich" rechtzeitig mit allen Vorbereitungen angefangen habe und ich Weihnachten "eigentlich" wirklich liebe!

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  4. Mach dir doch keinen so Stress Du Liebe! Ihr habt zwei kleine Kinder. Jeder wird Verständnis haben.
    Es folgen noch viele, viele weitere Weihnachten. Dann kannst du doch wieder austoben beim Backen, Dekorieren und weiß der Geier. Und dieses Jahr lässt du dich einfach von der Familie verwöhnen. Du hast es dir verdient nach all den vergangenen Strapazen!
    Keep calm! Habt ein schönes Fest! Liebe Grüße, Tine

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  5. Wo sind die letzten Wochen geblieben? :) Ich muss schmunzeln - hey du hast ein Baby bekommen ♥
    Mach dich nicht verrückt, die verstehen das. Alle. Und Tine hat recht, es folgen noch viele viele Weihnachten, die du mit Sicherheit entspannter angehen kannst ;)
    Ach ja und die Wohnblogs...die sind wirklich zauberhaft ich gebe es zu. Trotzdem glaube ich, dass es bei dir schön ist! Ganz bestimmt sogar. Mit deiner Familie als Deko erst recht!
    Liebe Weihnachtsgrüße an dich ;)

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