Dienstag, 8. Juli 2014

Cosmopolitans für alle! Außer für mich!

So ungefähr hat man sich ein Cosmo girl vorzustellen: Selbstbewusst. Enorm selbstbewusst sogar. Sexy und extrem an allen Fragen, die Sexiness auch nur im Entferntesten streifen, interessiert. Sie liest Horoskope. Sie "shoppt". Sie hat einen Schuhtick, das heißt, sie besitzt eine Menge Schuhe, jedenfalls mehr, als sie sich eigentlich leisten kann. Sie hat einen Job. Bevor sie morgens das Haus verlässt, um zu diesem Job zu gehen, stylt sie sich, was die Verwendung von Haarstylingprodukten einschließt. Sie geht auf After-Work-Parties. Sie "gönnt sich auch mal Pasta". Sie weiß, was sie wiegt. Sie lackiert sich die Nägel gerne auch mal in anderen Farben als rot. Trotz allen Selbstbewusstseins muss sie zugeben, dass sie einige Dinge nicht kann. Aber darauf ist sie stolz. Sie liest gerne witzige kleine Kolumnen von Frauen, die lustig über die Dinge schreiben, die sie nicht können. Aber dabei natürlich trotzdem selbstbewusst sind.

Jetzt ich. Ich bin nicht selbstbewusst. Das heißt, ich weiß schon, was ich kann, aber in den meisten Situationen bin ich erst mal eher unsicher, und das Selbstbewusstsein anderer Leute verblüfft und befremdet mich oft. Das Themenfeld Sexiness geht an meinem Leben vorbei. Ich hasse es, mir Kleider kaufen zu müssen. Schuhe gehen, für Schuhe muss ich nicht in die Kabine. Vielleicht ist mein Schuhregal deshalb deutlich besser gefüllt als mein Kleiderschrank. Als Tick würde ich das aber nicht bezeichnen. Einen Job habe ich auch, immerhin. Ich tauche dort allerdings oft genug mit noch nassen Haaren auf. Es ist noch gar nicht lange her, da stolperte ich mit Freundinnen zwei Stunden nach Feierabend bumsvoll über Parties, aber keine davon hieß jemals "After Work". Wenn ich etwas nicht kann, ist mir das peinlich. Mir ist überhaupt eine Menge peinlich. Über Dinge die mir peinlich sind zu schreiben, ist mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen, aber ich kriege nicht gut diese gewisse Kurve zum Selbstbewusstsein. "Particulaire" etc. sind nicht mein Ding, ich besitze sieben Nagellacke, die mit bloßem Auge kaum voneinander zu unterscheiden sind. Einer davon mit Glitzer, ok. In meinem Badezimmerschrank liegen drei Flaschen Lockenschaum unterschiedlicher Fabrikate. Jeden davon habe ich genau einmal benutzt. Die werden da alt werden und sterben. Ich gönne mir keine Pasta, ich esse sie oder lasse es bleiben. Ich verbrauche in der Woche mehr Butter als die komplette Cosmo-Redaktion in einem Monat. Wenn jemand mir ernsthaft was von Horoskopen erzählt oder z.B. ausrechnet, welches Sternzeichen Würmchen II wohl haben wird, dann zieht mein innerer Schiedsrichter von seinem IQ übern Daumen 20 Punkte ab. Mein anderer innerer Schiedsrichter faucht ihn dafür an, er sollte nicht so arrogant sein, eine Menge intelligenter Leute glaubten an diesen Schmuh, aber Schiedsrichter 1 ficht das nicht an.

Merkt ihr was? Ich bin wohl kein Cosmo Girl. Es hat lange gedauert, diese simple Wahrheit zu verstehen, dabei war das doch eigentlich schon immer so und offensichtlich. Zu meiner Verteidigung kann ich vorbringen, dass die Cosmo-Redaktion auch lange gebraucht hat, um es einzusehen, und die sind ja wohl die Profis in Sachen Cosmo girl. Als das anfing mit uns, war ich sehr aufgeregt. Und anfangs lief es auch wirklich gut. Ich sollte für eine Ausgabe einen kurzen Text mit meinen Erfahrungen und Tipps rund um IVF schreiben. Das war genau mein Thema, der erste Versuch saß und wurde mit zwei kleinen Änderungen gedruckt. Daraufhin fragten sie mich, ob ich nicht in Zukunft öfter mal für sie schreiben wollte, auch zu anderen Themen. Ich war wie beklommen vor Glück. Für ein Magazin zu schreiben, erschien mir immer als unerreichbarer Superdupertagtraum. Ich war so gründlich von den Socken, dass ich bis zum Schluss jedes Thema annahm, dass sie mir schickten. Diese Themen sollte ich immer so bearbeiten, als wären sie auf meinem Mist gewachsen und schon lange Teil meines Lebens. Also tat ich das, obwohl es mir schwerer und schwerer fiel, mich in diese Geschichten glaubhaft hineinzuphantasieren. So eine Redaktion hat es nicht leicht, die meisten Themen rund um das Dasein eines Cosmo girls sind gründlich abgegrast, und unfairerweise nicht nur von der Cosmo. Man muss sich den Kopf zerbrechen, um noch auf was Neues zu kommen. So kam es wohl, dass ich z.B. spät nachts an meinem Rechner saß und verzweifelt versucht habe, mir etwas zu folgendem Thema aus den Fingern zu saugen: Mein Partner und ich sind schon lange zusammen und haben als selbstbewusstes Cosmo-Paar natürlich ständig großartigen Sex. Nur jetzt gerade, während wir hier auf dem Sofa sitzen, eben mal nicht. Ich würde aber gern, und er vermutlich auch. Nur ist jetzt gerade unklar, wie. Wer macht den Anfang? Was passiert dann? Wie schaffen wir den Sprung aus dem total okayen Alltag in eine trotzdem noch okayere, wilde Cosmo-Phantasie?

Seht ihr wohl, genau so habe ich auch geguckt.

Abgesehen von der allgemeinen Un-Cosmo-Mäßigkeit meines Lebens gab es noch das Problem der Expertenmeinung. In fast allen Frauenzeitschriften ist es nicht damit getan, dass die Schreiberin möglichst unterhaltsam ihre eigenen Erlebnisse und Gedanken schildert. Das ganze braucht noch den Goldstempel des Fachmanns. Wenn also mein Text endlich fertig war, oft nach zwei abgelehnten ersten Entwürfen und unter viel Fluchen und Schweiß, dann kam die Email aus München: ob ich nicht noch eine Expertenmeinung integrieren könnte? Hier die Telefonnummer des Psychologen XY (jedes Mal ein anderer), den sollte ich doch mal anrufen und befragen. Ich knirschte mit den Zähnen und tat, was man mir sagte. Genau wie mir war den Experten erst mal kein Thema zu doof oder zu fremd, nach kurzer Zeit kam eine wohlformulierte Antwort. Schade nur, dass ich mit dieser Antwort in acht von zehn Fällen wenig anfangen konnte. Erstens lief sie meinem mühsam zusammenklabusterten Text vollkommen entgegen, so dass ich, um sie zu integrieren, fast alles noch mal neu schreiben müssen würde. Zweitens war sie oft gähnend langweilig. Ich war immer noch aufgeregt und stolz, aber inzwischen war der Zyklus in etwa folgendermaßen: Anruf oder Email von der Cosmo mit Anfrage, ob ich Thema XY wohl übernehmen könnte, sofortige und reflexhafte Zusage, zwei Tage gute Laune, ich bin Carrie!, dann erster ernsthafter Schreibversuch, zunehmende Ratlosigkeit und Verzweiflung, dann Durchbruch, Entwurf an Redaktion, Redaktion findet das "an sich toll", aber eben dann doch daneben, alles noch mal - diesmal mit längerer Phase der Ratlosigkeit und Verzweiflung - dann noch mal, dann der Krampf um die Expertenmeinung, und bei den letzten beiden Malen dann endlich die Email, dass der Text so jetzt ok wäre - grenzenlose Erleichterung - und zwei Tage später doch noch mal eine Mail, sie hätten das jetzt folgendermaßen überarbeitet und angepasst. Ob das recht wäre? Die angepasste Version hatte mit meinem Text dann nichts mehr zu tun, so dass ich auch meinen Namen nicht mehr drunterstehen haben wollte. Bezahlt haben sie mich trotzdem. Kein gutes Geschäft für die Cosmo, kein besonders erhebendes Gefühl für mich.

Und jetzt hat es eben aufgehört, das mit den Anfragen. Einerseits bin ich erleichtert, es hat einfach nicht funktioniert. Andererseits finde ich es schade und traurig, dass dieser Traum mir einfach so durch die Finger geglitscht ist, und frage mich, ob ich es anderswo nochmal versuchen sollte. Liegt es am Traum oder liegt es an mir? Passen wir doch nicht zusammen? Oder war die Cosmo eben die Cosmo, und andere Redakteurinnen haben auch schöne Magazine? Die sind doch nicht alle so? Oder doch? Ein Cosmo girl würde es natürlich machen. Aber ich bin nun mal keins. Manchmal ist das ein bisschen schade.

4 Kommentare:

  1. Das fühlt sich sicher ein bisschen doof an, aber mal ehrlich: Wenn ein Artikel von Dir veröffentlicht wird, dann solltest Du doch auch dahinter stehen können und irgendwie finde ich es eher schade, dass in diesen Redaktionen offensichtlich keiner an wirklich realistischen Artikeln interessiert ist, sondern das ein bestimmtes Bild transportiert werden soll, was so wohl bei den allermeisten gar nicht passt. Irgendwie sind wir doch fast alle keine Cosmogirls...

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  2. Flora, ich mag die Cosmopolitan nicht und habe sie nie gemocht. Habe auch nie verstanden, warum Du so euphorisch klangst.

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  3. Schau dir doch mal Emotion oder den neuen Ableger Slow an. Das könnte ich mir vorstellen.

    Auch Brigitte Woman hat immer sehr gute Stories!

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  4. Nido? Brigitte?
    Ich finde du solltest unbedingt für ein magazin schreiben... aber doch nicht für diese beknackte cosmopolitan.

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