Dienstag, 11. Mai 2010

Sie verschwinden

L. lässt mich und Lili an der Straßenecke auf dem Weg zum Haus raus, weil er noch zum Baumarkt will. Ich nehme die Leine, Lili steckt die Nase in den Nieselregen, und los. Allerdings nehmen wir gleich zu Anfang eine falsche Abzweigung und sind plötzlich ganz woanders. Da ist die Bahnlinie, über die kommen wir nicht drüber. Wir laufen also durch ein kleines Wohnviertelchen, Lili schnüffelt an jedem Zaunpfosten und ich guck mir die Speisekarten von Eckkneipen an. Als wir am Haus ankommen, erzähle ich L. als erstes: "da hinten ist ein katholischer Montessori-Kindergarten, sah nett aus!", und L. antwortet, "der ist toll, da war Holger (alter Freund von ihm) auch!"

Liebe Abkürzungshasen, sowas kommt selten vor. Denn in Wahrheit kann ich mir im Moment von Tag zu Tag weniger vorstellen, wie das mal wird, wenn wir Kinder haben. Im Moment wird der Dachboden eines Tages mal ein muckeliger Raum, in dem man Regentage verbummeln kann, das eine Zimmer neben dem Schlafzimmer wird mein Arbeitszimmer und das andere das Schrank- und Gästezimmer. Das heißt, ich kann mir das mit zwei, drei, vier Kindern schon vorstellen. Ich kann mir das sogar wunderbar vorstellen. Aber ich tue es nicht mehr, weil ich mich nicht mehr traue. Ich will mir nicht ausmalen, wo wir mal die Sandkiste hinbauen, wie im Windfang vier Paar Gummistiefel stehen oder auf welchen Kindergarten die Würmchen mal sollen. Denn die Würmchen haben im Moment ganz andere Sorgen als die Frage, in welchem Kindergarten die Kindergartentanten am nettesten sind. Die Würmchen kriegen es ja noch nicht mal hin, in einer an scharfen Kanten, spitzen Gegenständen und bösen fremden Männern wirklich armen Umgebung wie meinem Bauch zu überleben.

Im Moment freue ich mich wie besengt auf unser Haus und halte die Schwielen an meinen und L.s Händen in Ehren. Ich freu mich auf so ziemlich alles, was unabhängig vom Kinderwunsch machbar ist. Auf Freunde zu Besuch, Abende zu zweit, Spaziergänge mit dem Tierchen, darauf, diesen Vorort zu erkunden und irgendwo doch noch meine Stammbar zu finden, auf Küchentage und Gartentage und Markttage und Kellertage und Arbeitszimmertage. Ich wehre mich aus Leibeskräften dagegen, dass das alles irgendwann mal in meinem Kopf zu einem Trostpflaster wird.

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