Montag, 15. April 2013

Einige neue Erkenntnisse, die diese Schwangerschaft mit sich bringt, in ungeordneter Reihenfolge und wegen Schwangerschaftsdemenz vermutlich teilweise doppelt gemoppelt.

1. Schwangerschaftsjeans müssen eine der besten Erfindungen aller Zeiten sein. Wie ist es möglich, aus einem Kleidungsstück, das normalerweise so wenig vergibt, etwas zu machen, das vom dritten bis zum neunten Monat perfekt sitzt? Warum sind Jeans nicht immer so? Meine Schwangerschaftsjeans (H&M, ca. 35 Euro) haben den zusätzlichen Vorteil, dass ich sie aus dem Trockner ziehen und direkt anziehen kann. Sie knüllen nicht, sie müssen nicht gebügelt werden, und sie leiden nicht an dieser Jeanskrankheit, dass sie nach der Wäsche erst mal für drei-vier Stunden zwei Nummern zu klein sind - Stunden, durch die man sonst einfach durch muss. Ich fürchte, wenn Würmchen auf der Welt ist, muss L. mir irgendwann die Jeans aus den verkrampften Fingern reißen und verbrennen, sonst trage ich nie wieder normale. Ich bin doch nicht bescheuert.

2. Dieses ganze entspannte-Schwangere-unentspannte-Schwangere-Syndrom ist nicht zu knacken, egal wie. Es kommt vor, dass ich über Dinge, die andere scheinbar tagelang beschäftigen, innerlich einfach souverän wegbügele. Es kann aber auch sein, dass mich etwas, was anderen kaum ein Schulterzucken abringen würde, nächtelang um den Schlaf bringt. (Habe ich die Wurmkurtablette angefasst? Ohne Handschuhe? Was habe ich danach gemacht? Habe ich geduscht, bevor oder nachdem ich mir einen Toast gemacht hatte? Ist der Salat in diesem ansonsten blitzblanken Restaurant tatsächlich gewaschen? Ist Würmchen tatsächlich aus unseren Zellen entstanden oder aus denen von diesem schrecklich unsympathischen, schlecht riechenden und herumrotzenden Paar, das neben uns im Wartezimmer saß? Verpasse ich vor lauter Sorgen meine Schwangerschaft? Bin ich hysterisch? Ist es unverantwortlich, die eigene Seelenruhe nicht in jeder Situation in der Prioriätenliste 287 Plätze unterhalb der hundertprozentigen Sicherheit von Würmchen unterzuordnen? usw. usf.) Der Kreislauf aus Hirnpups, Gegensteuern, neuer Hirnpups, am Ende vollkommene Verwirrung, welcher Hirnpups gewinnen soll, wird vermutlich auch nach der Geburt nicht aufhören.

3. Koffeinfreier Tee: ausgezeichnet. Alle anderen schwangerschaftsmodifizierten Lebensmittel vom alkoholfreien Sekt bis hin zur pasteurisierten Mayonnaise: buäch. Ich habe mich inzwischen damit arrangiert, sie einfach komplett von der Liste zu streichen. Die Sehnsucht danach wird nur schlimmer, wenn man ständig versucht, sich mit einem unzureichenden Ersatz zu trösten.

4. Vor ein paar Jahren hat eine Freundin von uns als erste aus der Damenrunde ein Kind bekommen, und das hat alles, wirklich alles verändert. Sie war weg. Das heißt, weg für uns: mit ihren Muttifreundinnen hat sie sich seitdem so viel getroffen wie nie, aber bei uns war sie nach einigen Versuchen (vor allem unsererseits), nette Restaurantabende mit Babysitterverfügbarkeiten abzustimmen, einfach raus. Sie ist dann auch weggezogen, und das war's, eine Weile haben wir uns noch manchmal gefragt "Was macht eigentlich Dingens?", aber davon abgesehen war es vorbei. Dieses Szenario macht mir schreckliche Angst. Ich weiß, ich bin anders als unsere Muttifreundin, egal ob schwanger oder unschwanger, aber meine Freundinnen sind eins der wichtigsten Dinge in meinem Leben, und ich will nicht irgendwann in einem halben Jahr mit ihnen "Was macht eigentlich A., gibt's was Neues von R., und habt ihr mal wieder was von H. gehört?"-Telefonate führen. Ich glaube aber auch inzwischen, dass sich das ohne Anstrengung kaum vermeiden lässt. Also werde ich mich anstrengen. Ich werde, auch wenn mir die Augen zufallen und ich so müde bin, dass ich mit zwei verschiedenen Schuhen das Haus verlasse, dranbleiben. Ich werde L. dazu vergattern, auch mal ein ganzes Wochenende lang das Würmchen zu hüten, damit ich mit zum Berlin-Wochenende kann. Ich werde, wenn mir mal die Flucht in die babyfreie Welt geglückt ist, nicht alle halbe Stunde zuhause anrufen und fragen, ob das Kind schon den Finger in die Steckdose gesteckt hat oder der Kinderwagen implodiert ist. Ich werde für dieses neue Leben nicht mein altes Leben verlieren, sondern die Zähne zusammen beißen und darum kämpfen.

5. Bisher kann der Bauch mehr ab, als ich dachte. Spaziergänge mit beiden Hunden mit Eichhörnchensichtung: kein Problem. Leichte Gartenarbeit wie kniend kleine Löcher buddeln und Kräuter darin versenken: warum nicht. Hausputz, Einkäufe (jedenfalls mit schlau auf zwei Taschen verteiltem Gewicht und orthopädisch korrekter Hebetechnik): nur zu. All das ist nicht halb so belastend wie ein Achtstunden-Arbeitstag auf einem gut gepolsterten Bürostuhl.

6 Kommentare:

  1. Hi Flora,
    Punkt 4. ist sehr gut formuliert! Haargenauso hab ich das auch überall angekündigt... vor der Geburt.
    Diese Vorsätze zu haben und sich immer wieder daran zu erinnern halte ich für sehr wichtig. Aber eine besonders einschneidende der vielen neuen Erfahrungen mit Kind ist, dass es schlicht mit der Selbstbestimmung nicht mehr weit her ist. Eine weitere die, dass man auch nur begrenzte Kräfte hat und der Tag nur 24 Stunden. Und recht bald ist man dann nah dran, so zu sein wie man niemals werden wollte, und findet es auch noch ganz gut! -erschreckend und tröstlich zugleich,
    meint Jo

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  2. Ich schliesse mich der Jo an und hätte es nicht besser sagen können.
    Auch an sich selbst zu denken ist mit Kind super wichtig und manchmal muss man sich einfach dazu zwingen. Und dennoch ist das meistens sehr viel seltener, als man sich anfangs vorgenommen hat. (Zum Beispiel weil die lieben Kleinen einfach IMMER dann krank werden, wenn man was vorhat...Naja, jedenfalls oft.)Sobald ich das für mich akzeptiert hatte, gings mir übrigens besser und ich hatte nicht mehr so einen Stress, die "coole Mutti" zu sein, die ihr Leben nicht aufgegeben hat für den kleinen Hosenscheißer...
    Ich wünsche dir vor allen Dingen verständnisvolle Freundinnen, die die neuen Wege mit dir gehen und die Veränderungen, die kommen werden, tolerieren können!! Es gibt diese tollen Gefährtinnen und ich weiß sie seitdem noch mehr zu schätzen, aber leider hab ich auf der Reise auch ein paar Mädels verloren, denen die Kneipe wichtiger war als das Zusammensein - zur Not auch mal bei mir zuhause aufm Sofa...

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  3. Tja, die Vorsätze. Wie ja schon gesagt, die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung ändert sich. Es ist SEHR wichtig, sich weiterhin mit den Freundinnen zu treffen, und noch man selbst und nicht nur Mama zu sein. SEHR SEHR wichtig.
    Aber, und es tut mir sehr leid, dass hier ein Aber kommt, der Tag hat nur 24 Stunden und die menschlichen Kräfte sind begrenzt. Wichtig ist ebenfalls, dass man sich nicht unter Stress setzt, wenn man dann doch mal auf dem Sofa einknickt und wenn man doch mal einfach nur seine Ruhe haben will und nicht will, dass noch jemand mehr an einem zieht und zerrt. Die Balance ist halt wichtig. Mutter, Ehefrau, Arbeitskraft, Putzfrau, Gärtnerin und generelle Haushaltsschmeisserin zu sein (aktive Ehemänner sind ein Muss (!), aber trotzdem...) ist tatsächlich ziemlich kräfteraubend. Wenn dann noch das heissgeliebte Baby/Kleinkind krank ist, schlecht schläft, Zähne kriegt, Durchfall hat, einen "Schub" hat, dann sinkt die Motivation, auch noch die perfekte Mädels-Freundin zu sein, ein bißchen. Dann müssen es auch mal emails und Telefonate tun. Dranbleiben ist wichtig, aber keine Krise kriegen, wenn es mal Phasen gibt, wo das kräftesammeln und "Ich-Spüren" einfach wichtiger sind und man seine Ruhe will.
    Es gibt dann auch Phasen, wo alles glatt läuft, da muß man dann beherzt und kurzfristig losspurten.
    Also: Superwichtiger Vorsatz!!!! Aber bitte nicht unter Druck setzen damit. Das Leben mit Kind ist tolltolltoll, aber phasenweise anstrengender, als Du jemals jemandem geglaubt hättest...
    Ich habe noch schattenhafte Versionen von stundenlangem Sofarumhängen... von LANGEWEILE!! seufz....

    liebe Grüße
    Bernstein

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  4. Wie fast immer kann ich mich den Ausführungen von Bernstein voll und ganz anschließen.

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  5. Flora,
    bin auf Deinen Blog / Euer Buch gestoßen, habe angefangen zu lesen... vielen Dank für diese entspannte Schreibe ! Gestern abend waren mein chéri und ich bei der Infoveranstaltung der Klinik, nun beginnt ein Monat Bedenkzeit. Während wir vor dem Auditorium mit ungefähr 40 Paaren auf den Doktorguru warteten konnte ich gut Deinen Wunsch nachempfinden, das Erlebte schriftlich darzulegen : Da waren wir beide nun zum ersten Mal konfrontiert mit all den anderen "Betroffenen" - raus aus dem Anonymat. Und die sahen gar nicht behindert aus, so wie ich mich fühle. Wie gesagt, die Bedenkzeit hat offiziell begonnen; ich werde mir Euer Buch zu Gemüte führen und dann... ?!
    Alles Gute für Dich,

    I.
    ps: Bin in Frankreich, wahrscheinlich gibts da ein paar Unterschiede in der Vorgehensweise, mal sehen.

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  6. Das mit den Schwangerschaftsjeans ist sooooowas von wahr. Ich ziehe echt keine anderen mehr an. Immer schön mit Pulli drüber, damit es nicht auffällt...

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