Donnerstag, 18. Juli 2013

Sechs.

Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Normalerweise bin ich aufgeregt angesichts der Aussicht auf einen Zahnarztbesuch, einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einen mir unbekannten Stadtteil oder eines Friseurtermins. Nicht sehr, aber immerhin ein bisschen. Dass ich morgen vermutlich ein Kind bekommen werde, kommt in dem Teil meines Gehirns, der für Aufregung zuständig und sonst fast durchgängig sehr aktiv ist, aus rätselhaften Gründen nicht an. Gestern stand ich in einer Bäckerei, völlig unterzuckert, und wollte mir eine Tüte Franzbrötchen kaufen. Eins wollte ich sofort essen, eins war für L. gedacht, der Rest sollte in die Tiefkühle und steifgefroren mit ins Krankenhaus. Für die Geburt. MEINE Geburt bzw. Würmchens. Die Bäckereiverkäuferin fragte mich, wann es denn so weit wäre. Ich sagte, ich wäre fünf Tage drüber. Sie sagte, dafür würde ich aber einen extrem entspannten Eindruck machen. Ich sagte, vielleicht wäre ich ja einfach nur blauäugig, das wäre mein erstes. Wie äußert sich Geburtspanik bei anderen Frauen beim Kauf von Franzbrötchen? Stottern sie? Zittern sie? Lassen sie ihr Wechselgeld fallen? Knüllen sie die Tüte zu einem zimtigen Klumpen zusammen, sobald sie sie in den Händen halten? (Franzbrötchen, für alle Nicht-Hamburger, sind große Flatscher aus süßem Teig, durchzogen von einem klebrigen Gemisch aus Zimt, Zucker und Butter. Man isst sie ungefähr so wie eine Haribo-Lakritzschnecke, indem man sie in Streifen zieht. Manchmal gibt es auch welche mit Rosinen, Schokosplittern, Streuseln oder gebrannten Kürbiskernen, wenn Rosinen auch leider auszusterben scheinen, sie gelten zusehends als leicht eklige alte-Leute-Zutat. Franzbrötchen entschädigen mich dafür, dass es in Hamburg so gut wie unmöglich ist, ein Kümmelbrötchen oder ein wirklich gutes Laugenbrötchen zu bekommen.) Die Bäckereiverkäuferin hielt mir zum Abschied einen Teller mit frisch gebackenen Schweinsöhrchen hin und sagte, ich sollte mich bedienen, für das Baby. In diese Bäckerei gehe ich bestimmt bald wieder.

Aber was ist nun wirklich der Grund? Wie zuerst vermutet, Blauäugigkeit? Seit Monaten warte ich darauf, dass die Panik vor der Geburt einsetzt, und bisher tut sich nichts. Weiß ein pfiffiger Teil von mir, dass ich da sowieso durchmuss, Angst hin oder her, und dass ich mir das Gruseln darum genau so gut sparen kann? So viel angewandte Logik traue ich meinem Fusselhirn nicht zu. Baue ich zu sehr auf die PDA, mit der es vielleicht ja gar nichts wird? Ist das hier vielleicht die Bestätigung dafür, dass es manchmal ein Segen ist, nicht zu wissen, was auf einen zukommt? Sind wieder mal Hormone im Spiel? Die Straßen sind voller Frauen mit Kinderwagen, denen ich (bestimmt voreilig und ungerecht) nach einem Blick in ihre Gesichter überhaupt rein gar nichts zutraue. Und die haben das auch geschafft, das beruhigt mich enorm, abgesehen davon, dass es ja nichts zu beruhigen gibt. Bin ich also zu arrogant für Angst? Ist das ein gigantisches Bollwerk meines Bewusstseins gegen eine Angst, die in Wirklichkeit die ganze Zeit knapp unter der Oberfläche lauert und die mich vollkommen um den Verstand bringen würde, wenn ich auch nur den kleinsten Hauch davon schnuppern könnte? Oder habe ich einfach nur Recht und das wird überhaupt nicht schlimm?

(Irgendwo da draußen sitzt eine ganze Bande von euch, reibt sich die Hände und denkt "Wart's nur ab. Du wirst schon sehen." und lacht wie ein Rudel Disney-Hexen. Ich kann euch hören!)

Außerdem bin ich gestern in sfgirlbybays Blog auf einen Bericht der New York Times gestoßen: eine Diashow mit Bildern des Hauses, in dem Mike D. von den Beasty Boys in Brooklyn wohnt. Daraufhin dachte ich drei Dinge: erstens muss ich wieder mehr Beasty Boys hören. Wie wär's, vielleicht ja zur Geburt? Zweitens würde ich da sofort einziehen. Drittens möchte ich gerne beim nächsten New York-Besuch - wer weiß, vermutlich mit Würmchen? - die von Mike D. persönlich designte Tapete kaufen. Hier geht's zur Diashow.

2 Kommentare:

  1. Ach, das machste schon ganz richtig ;-)! Je blauäugiger desto besser! Hab ich auch so gemacht und vorbereiten kann man sich auf sowas eh nicht, außer dem Buchen einer guten Hebamme kannste eh nix machen :-)! Die ist eh wichtiger als alles andere also sei nett zu ihr ;-)!

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  2. Vielleicht tröstet es Dich, dass ich mir selbst kurz vor der Geburt des vierten Kindes nicht vorstellen konnte, was mich da bald erwarten sollte, die ganze Umwelt war aufgeregter als ich. Und anschließend hatte ich jeweils das kleine Würmchen auf dem Arm und konnte nicht fassen, dass ich sowas Perfektes selber fabriziert haben sollte; das kam mir sogar von Kind zu Kind unwirklicher vor - es schien, als würde ich mich von außen im Film sehen. Ich habe bei anderen Leuten immer mehr mitgelitten und in die Situation hereininterpretiert als ich bei mir selber dann wahrgenommen habe. Alles wird gut!!

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