Donnerstag, 31. Oktober 2013

Warum? Darum.

Einige der Gründe, warum es für mich grauenvoll ist zu arbeiten.
Weil ich mich manchmal so fürchterlich hohl fühle. Nicht hohl im Sinne von doof, sondern hohl im Sinne von leer und ausgehölt. Das Gefühl ist nach ein paar Minuten vorbei, aber man vergisst es nicht so schnell.

Alles ist in Unordnung. Als ich nur zuhause war, habe ich es irgendwie geschafft, die Bude bewohnbar zu halten. Jetzt... huaaaarg. Und noch nie hat mir das so viel ausgemacht wie jetzt.

Mein Lebensgefühl ist auch in Unordnung. Irgendwo habe ich neulich von Müttern gelesen, die das 1a hinkriegen: sich voll auf das Kind zu konzentrieren, wenn sie beim Kind sind, und dann zwei Stunden später total in ihrer Arbeit aufzugehen, wenn sie am Schreibtisch sitzen. Die würde ich gerne mal kennenlernen und sie fragen, wie sie das machen. Vermutlich lautet die Antwort ganz einfach: tja, wir sind eben nicht solche Fusselhirne wie du.

Ich kriege die Angst nicht aus dem Kopf, dass etwas Schlimmes passieren könnte, während ich nicht bei meinem Kind bin. Ich weiß, dass diese Angst irrational und das Erster-Klasse-Ticket in den Wahnsinn ist. Ich weiß auch, dass ich sie vermutlich nur durch Gewöhnung und die täglich wiederholte Lektion loswerde, dass eben im wirklichen Leben nichts Schlimmes passiert. Ich hoffe, der Effekt tritt demnächst ein. Wieso habe ich diese Angst? Ich weiß es nicht. Denn wenn ich ehrlich bin, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit dem Kind auf dem Arm die Treppe runterfalle, mindestens so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand anderem passiert (der erstens nicht so ein Fusselhirn ist und zweitens im Gegensatz zu mir räumliches Sehen hat, das extrem nützlich ist beim Treppenhinabsteigen). Ich weiß das! Nützt aber nix, wie das mit Ängsten so ist.

Alles, was mir rund um meinen Job schon vor dem Baby dämlich erschien, erscheint mir jetzt noch viel dämlicher. Und durch den einen Monat zwischen Mutterschutz und Job, für den ich volles Elterngeld bekomme statt des Basisbetrages von 300 Euro für gutverdienende Ex-Abkürzungsdamen weiß ich jetzt leider, was ich monatlich bekäme, wenn ich es einfach lassen würde. Ach, ach, ach, ich Ärmste, hätte ich diese Zahl doch nie gelesen. Jedes Mal, wenn ich früher nur gedacht habe "Oh Mann. Na gut. Gesichtsmuskeln unter Kontrolle bringen, weitermachen." denke ich jetzt "(hier eine phantastisch hohe Zahl einfügen)". Zuletzt dachte ich sogar an die Zahl, als im vegetarischen Mittagspausenrestaurant die Auberginen noch roh waren und ein Haar im Nachtisch.

Weil ich mich jetzt, gerade dann, wenn ich am wenigsten an die Zahl denke, trotzdem pünktlich loseisen und das alles hinter mir lassen muss. Eigentlich habe ich mich gern reingesteigert in meinen Job, zumindest manchmal. Ich war zwar nicht mehr bereit, wie vor zehn Jahren 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, aber wenn es auf den wichtigen Präsentationstermin zugeht, habe ich auch gerne eine Schippe mehr draufgepackt und mir mit roten Augen noch letzte Ideen abgepresst. Jetzt sitzen wir im Konferenzraum, und jemand sagt zu mir: "Ach so. Ja, du musst ja jetzt gleich los, oder?" Ja, muss ich, und es ist ja auch gut und richtig so, aber trotzdem fühle ich mich in dem Moment wie ein Nichtschwimmer.

Weil es so ziemlich eine der demoralisierendsten Erfahrungen ist, auf einem Firmenklo zu knien und Muttermilch ins Klo auszustreichen, weil ich sonst leider explodiere.


Einige der Gründe, warum es für mich trotzdem gut ist zu arbeiten.
Weil ich heute mein erstes selbstverdientes Geld seit der Geburt auf dem Konto hatte und sich das toll angefühlt hat.

Weil ich nie wieder meinen Mann um Geld bitten will. Nicht, weil er darauf so blöd reagieren würde, sondern einfach so. Ich fühle mich besser, wenn ich das nicht tue.

Weil ich schon Angst hatte, ich würde verblöden. Ich hatte in den letzten Monaten manchmal Telefonate mit Leuten, die mir wirklich wichtig sind, die mir Dinge erzählten, die ihnen wirklich wichtig waren, und alles, was mir dazu nach den ersten zwei Minuten einfiel war "Das ist doch gut. Hm-hm. Das ist doch gut. Sehr schön. Das ist doch gut. Hm-hm." Ich sehe die Arbeit gerade auch ein bisschen als Rückbildung fürs Hirn. (Oh Gott. Bitte bitte, mitlesende Damen, denkt nicht, dass ich sage, als zuhause bleibende Mutter verblödet man. Ich und nur ich bin hier wieder mal das Thema, und mir ging es leider ein bisschen so.)

Weil ich jetzt an jedem Arbeitstag zwei mal 25 Minuten in der Ubahn habe und damit drei mal 50 Minuten zum Lesen. Letzte Woche war ein Kontrolleur da, der etwas länger zum Kontrollieren brauchte, den habe ich fast angeschnauzt. (Nur fast. Aber es ging um meine Lesezeit!)

Weil es unfassbar schön ist, abends nach Hause zu kommen. Mein Kind aus dem Stubenwagen oder aus L.s Armen zu nehmen, an mich zu drücken und an seinem Kopf zu riechen, ist eine einzige Bewegung. Dann stapfe ich schnell nach oben mit ihm und stille ihn (wird auch allerallerallerhöchste Zeit, falls die Exabkürzungsdamen verstehen, was ich meine) und habe meinen Frieden.

Weil ich jetzt die Zeit mit ihm wirklich, wirklich in mich aufsauge wie den Duft seines Kopfes.

Weil er das Kindermädchen wirklich gern hat. Diese Woche war ich einen Tag zum Arbeiten zuhause und habe gesehen, wie er gestrahlt hat, als er ihr Gesicht gesehen hat. Die Welt eines Babys ist klitzeklein, und seine ist gerade um eine Person bereichert worden. Ihr solltet sein Gesicht sehen, wenn sie ihm spanische Kinderlieder vorsingt.

Weil ich jetzt nicht zuhause sitze und ständig denke, ich bezahle dieses Babyjahr damit, dass ich hinterher zurück in eine Jobwelt muss, in der von mir als freier Texterin erwartet wird, an einem Buchungstag bis weit nach Mitternacht zu arbeiten und jederzeit bereit zu sein, mal eben für zwei Wochen nach Berlin oder München zu ziehen, und zwar ab... äh... morgen?

Weil es mir gut tut, mich an drei Tagen in der Woche präsentabel anzuziehen, touche eclat aufzutragen, BB-Cream und Wimperntusche und Mittagspausen zu haben und Abstimmungen und Espresso zu trinken, der einfach so aus einer Maschine kommt, ohne dass ich Kaffee, Wasser oder saubere Tassen organisieren muss.

Weil L. und der Kleine mit jedem Tag enger zusammenwachsen. An drei Tagen in der Woche ist er jetzt vormittags mit ihm alleine. Wäre ich zuhause, würde ich angelaufen kommen, sobald ich ihn meckern höre. "Muxi! Was hast du denn? Mama ist ja da." Und schwupps, hätte ich ihn L. aus dem Arm genommen und wäre mit ihm nach oben geschwebt zum Stillen oder anderer Papa-wird-hier-nicht-gebraucht-Aktivität.

5 Kommentare:

  1. Daumen hoch!!!
    Du schaffst das. Denn Du magst Dich vielleicht für ein Fusselhirn halten... und... dann fusselst Du einfach ein bisserl rum - und kriegst es trotzdem gebacken!
    Was das Thema Angst angeht:
    Ich war nie Abkürzungsdame, bin faszinierend schnell schwanger geworden - sozusagen beim ersten Versuch... mein Großer ist 11 - und diese Angst kommt immer wieder. Wenn er rausgeht. Wenn er zur Schule fährt. Wenn er mit Papa im Auto unterwegs ist. Wenn er bei Oma&Opa ist. Wenn er... Grundsätzlich habe ich sogar Angst davor, daß ein Asteroid die Erde trifft, und ich nichts für Zwerg tun kann...
    Und beim Mini ist das genauso.

    Das ist das, was sich am schwerwiegendsten in meinem Leben geändert hat, seid ich Mutter bin - ich habe noch nie soviel Angst gehabt...

    Also kannst Du das unter "normal" abhaken, und zur Tagesordnung übergehen (Wenn Du das flaue Gefühl runtergeschluckt hast...)
    Und das mit L und Karl-Ludwig ist einfach klassse!

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  2. Häkchen unter (fast) jeden Absatz.
    Toll, wie du es auf den Punkt bringen kannst - Danke.

    Von einer, die nach dem zweiten Kind auch gerade nach 7 Monaten schon wieder angefangen hat zu arbeiten und täglich mit (fast) den gleichen ambivalenten Gefühlen durch die Welt geht.

    Besonders unterstreichen möchte ich - wie meine Vorschreiberin - die Sache mit Gustav und seinem Papa. Für die Vater-Sohn-Beziehung ein echtes Plus, wenn Mama auch mal weg ist!

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  3. Hm... auf einmal hat Dein Blog ganz unerwartet wieder Relevanz bekommen für mich. Folge Dir schon recht lange, hab weitergelesen, auch als Du Ex- und ich immernoch Abkürzungsdame war.
    Und auf einmal..... Das Positiv vor 2 Tagen!!!! Nach fast 5 Jahren und 11 Versuchen, 6 IUI, 4 ICSI und 1 Kyro.... So vielen Dank für Deinen Humor und auch Deinen Mut, immer wieder weiterzumachen. Das machte mir Mut, nicht aufzugeben... Danke, danke, danke aus Kopenhagen!

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  4. Ich kann mich auch in fast jedem Absatz wiedererkennen. Ein wenig ist es wie ein Kampf gegen die Natur, die einen doch einfach beim Baby halten will. Aber nach meiner Erfahrung ist es gut, wenn man diesen Kampf immer mal wieder eingeht und auch gewinnt - auf die Dauer werden die mütterlichen Kräfte und Nerven dadurch sehr geschont. Bei so guten Bedingungen wie bei Euch (Kinderfrau, Vater hat Zeit, Du bist recht flexibel.., bei uns ist es ähnlich), lohnt es sich jedenfalls wirklich, sich sein "Nicht-nur-Mama-Leben" aufrecht zu erhalten. Wie Du schon schreibst,- nichts macht die Freude auf Zuhause größer, als etwas Abstand. (Ich renne sogar manchmal die letzten Meter des Heimwegs, weil ichs kaum noch erwarten kann!) Nur Zuhause beim Kind zu sein, wäre auf die Dauer hingegen nichts für meine Nerven (und damit sicher auch nicht gut fürs Kind).
    Ich glaube das ganze Politikum "Kinderbetreuung" und "Frauen zurück in den Beruf" ist nur durch größtmögliche Flexibilität am Arbeitsplatz (von Mutter und Vater), und verschiedenste Möglichkeiten der Teilzeitarbeit zu lösen. Ein 40 Stunden-Job, während dem mein Kind ganztags in der Krippe betreut wird, ist für mich jedenfalls nicht vorstellbar. Aber viele/die meisten haben gar nicht die Wahl, da gibts nur ganz oder gar nicht.
    Viel Glück Dir weiterhin und viel Erfolg in beiden Lebensbereichen
    wünscht Jo

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  5. Liebe Flora, und so zwiegespalten wird es bleiben! Und das ist wohl auch gut so, denn sonst kann man wohl weder eine gute Mutter sein, noch gut in der Arbeit. Lies einmal -wenn nicht schon längst getan- "i don't know how she does it', es scheint Chick Lit und ist einfach nur weise mit allen Facetten und Zwischentönen (der Film dazu war einfach albern). Lg von c aus k

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