Freitag, 11. Juli 2014

Die Freundlichkeit von Fremden

Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, die ganze Welt besteht aus Arschgurken. Neulich war so einer: zwanzig Sekunden nach mir und Kalle fuhr eine Dame ihren Cayenne mit Münchner Kennzeichen so auf den Parkplatz direkt neben meinem, dass ich die Tür mit dem Kindersitz dahinter keine zwei Zentimeter weit öffnen konnte. Sie stieg seelenruhig über die Beifahrerseite aus (wo noch drei freie Parkplätze waren) und machte sich auf zu ihrem Bümmelchen. "Entschuldigung" sagte ich. "Könnten Sie vielleicht noch mal ein Stück weiter rechts parken? Ich pass da nicht durch und kriege so mein Kind nicht aus dem Auto, da drüben ist doch noch Platz." Mit einem kritischen Blick auf meinen Bauch sagte sie "Da nimm hoit a bisserl ab, gell" und ging ihrer Wege. Und als ich kurze Zeit später nach einiger Turnerei doch mit Baby und Kinderwagen durch den Supermarkt schob, legte ein alter Sack einen Einkauf von der Fleischtheke, den er jetzt scheinbar doch nicht mehr wollte, ungefragt in der Karre ab und machte sich eilig davon. Wieso? Keine Ahnung, manche Dinge werden mir ein ewiges Rätsel bleiben. Arschgurken, wohin man schaut. (Und nein, ich denk mir die nicht aus. Keine von beiden.)

Zum Glück gibt es auch andere Tage. Tage wie gestern: ich war mit Baby auf dem Amt, um seinen Kinderreisepass machen zu lassen. Alle Unterlagen hatte ich dabei, voller Elan marschierten wir zwei da rein. Und sackten sofort auf halbe Größe zusammen. Da drinnen herrschten ca. 30 Grad, die Menschen drängten sich mit ähnlich hoffnungslosem Ausdruck dicht an dicht wie auf einer Flüchtlingsfähre. Ich hätte einen Termin machen müssen, erfuhr ich. Jetzt war es zu spät. Mit Termin betrug die Wartezeit eine Stunde aufwärts, ohne? Keine Ahnung, vielleicht kommen Sie heute auch gar nicht mehr dran. Ich beschloss, die Hoffnung nicht zu früh aufzugeben, und setzte mich mit Baby auf den Fußboden. Wir hatten noch keine zwei Minuten mit dem Sichten und Zerknüllen alter Reklamebeilagen aus herumfliegenden Zeitungen zugebracht, da kam ein Motorradtyp auf mich zu. "Ich bin jetzt dran", sagte er, und hielt mir seinen Zettel hin. "Nehmen Sie meine Nummer." "Aber Sie warten doch bestimmt schon Stunden?" "Kann sein, aber ich hab kein Baby und bin nicht schwanger. Ich hab was zu Lesen mit." Eine Minute später saß ich mit Tränen in den Augen vor dem Mann vom Amt, der Würmchen mit einem angeketteten Kuli bespaßte, und zehn Minuten später waren wir mitsamt nagelneuem Kinderpass wieder draußen aus der Wartehölle. Der Motorradmann war nirgendwo zu sehen. Ich wünsche ihm und seinem Motorrad alles erdenkliche Gute, allzeit aufmerksame und wache Autofahrer, nie einen Eisflecken oder eine Ölpfütze an der falschen Stelle, und mögen die Fliegen, Spatzen und Libellen immer plötzlich doch eine andere Route nehmen als genau auf sein Visier zu.


11 Kommentare:

  1. "Schieb Deine Plastikvisage zurück ins Auto oder ich sorge dafür das Du nach Hause läufst!" Hormone sind etwas feines. Leider fallen einem die besten Sachen immer auf dem Nach Hause Weg ein. Das war eine meiner Sternstunden.
    LG

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  2. Immer wieder krass was es für Leute gibt.

    Aber zum Glück eben auch sehr freundliche!

    Ich hoffe eurer Hundedame geht es einigermaßen?

    LG

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  3. Der Münchener Dame hätte ich eine Weischwurscht quer in ihr Maul gestopft. Frechheit. Diese Dummdreistigkeit der Menschen macht mich ohnehin immer rasend. Derzeit noch mehr. Manchmal erkenne ich wahrlich misanthropische Züge...und dann kommt der Motorradfahrer daher und macht alles ein wenig besser. Ich kenne ihn nicht, finde ihn aber überaus entzückend und überhaupt und so. Ein feiner Mensch, der da so zwischen den Arschnasen und -Gurken dieser Welt verweilt.

    Penny, die es gerade noch extremer mit diversen egoistischen Rentner hat und mit denen gerne hormonell bedingt (oder auch nicht) richtig im Klintsch liegt.

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  4. Jetzt hab ich auch Pippi in den Augen!

    J. mit 11 Monatigem an der Hand und Winterbaby im Bauch.

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  5. Oh und da sagt nochmal einer die harten Motorradkerle einfach toll. Ja so eine Münchner Dame (meine war wohl eher ein Schwabe) begegnete mir auch vor kurzem sie hatte einen riesigen Van ich sass noch im Auto und hatte 2 Kinder dabei eins im Babysafe. Sie kam an mein Fenster und sprach im höchsten Hochdeutsch ich solle doch gefälligst so parken, dass sie noch rein kommt. Ich äh dann komm ich aber nima raus und sie aber sicher kommen sie dann raus und ich äh ok und Park um. Als ich Ausstieg kam sie nicht rein und wollte noch, dass ich schaue ob's am Pfosten auch wirklich passte. Als sie dann drinne war fragte ich, wie ich denn nun mein Baby aus dem Auto bekomme. Da stammelte sie nur, dass hat sie nicht gewusst und dann müsse ich halt woanders parken sie muss ja nur kurz auf die Bank ich hätte ja zeit

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  6. Wirklich fast unglaublich. Vollpfosten gibts.... trotzdem muss ich kurz was einwerfen. Ihr Schwangeren und Kinderwagenschieberinnen - Ihr seid NICHT aus Zucker und Ihr seid auch nicht zerbrechlich - Ihr wollt doch immer ganz normal behandelt werden, also nicht immer nur jammern und jöseln und sich über die bösen Mitmenschen ärgern, die vielleicht auch ihre Sorgen und Nöte haben?! Bitte.

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    1. Die vielleicht aber auch einfach nur arrogant und rücksichtslos sind.

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    2. Jeder ist irgendwann in seinem Leben mal mehr mal weniger aus Zucker. Deshalb einfach achtsam sein/bleiben/werden. Anderen und auch sich selbst gegenüber. Dann lebt es sich besser miteinander.

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    3. OMG, wieder so jemand, der meint, dass es ums Jammern einer Schwangeren geht. Selbstverständlich sind wir nicht aus Zucker. Das hat aber was mit Menschlichkeit zu tun. So im ganz Allgemeinen. Man drückt doch zu oft im Leben ein Auge zu, lässt sich von nörgelnden Rentner den Einkaufswagen in die Fersen fahren, ignoriert im Weg rumstehende Menschen, die ganze Gänge versperren, weil man sich eben ganz zufällig beim Einkaufen trifft (und sonst Garten an Garten wohnt) und an Ort und Stelle über den neuesten Tratsch reden muss, scheiß egal, ob ich damit etwa 23455 Lebensmittel versperre und rollt nur mit den Augen, wenn sich eine schicke Dame meint sich nicht in die Wurstanstehreihe des Pöbels eingliedern zu brauchen. Aber irgendwann ist auch mal gut. Ich bin jetzt zwei Mal über den Kofferraum unseres Kombis ins Auto geklettert. Und dies unschwanger. Und nicht ansatzweise dick. Sollte mir das nun mit dickem Bauch oder gar mit Kind an der Hand passieren, würde ich ausrasten. Und das hat nichts mit aus Zucker sein zu tun. Bin ich nicht.

      P.S.: Münchener Dame? :))

      Herzliche Grüße

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  7. Schwanger, nicht schwanger, mit Kinderwagen, mit Hund oder alleine unterwegs - ich finde es in keinem Zustand normal, dass ein Fremder seine schlechte Laune an mir auslässt.

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  8. Übrigens muss man schwanger auf dem Amt nicht warten. Das wurde mir von der Dame im Amt mal mitgeteilt. Natürlich NACH 2 Stunden Wartezeit mit 8-Monatsbauch. So ist das jedenfalls in Sachsen geregelt. Wie es in HH ist, weiß ich natürlich nicht.
    Nörgeln über blöde Menschen darf außerdem jeder. Sich freuen über nette auch.
    Grüße von der Tina

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