Dienstag, 10. Mai 2011

Selbstversuch: Wie viel Kinderwunschquatsch passt in 60 Stunden?

Samstag, 19:30. Nach tagelanger Schufterei klappe ich meinen Rechner in der Stadt zu und steige in die Bahn nach Hause. Zuhause mache ich noch einen Schwenk durch Edeka und kaufe zwei riesige Beutel Eiswürfel, damit die Gäste von L. und L. selbst meinen leckeren pinken Öko-Prosecco auch schön kalt trinken können. Schließlich haben wir Kinderwunsch-Tanten jahrelang Übung im anderen-alles-gönnen, auch wenn man selbst leider gerade Pech hat. Für mich wird das ein Apfelschorlenabend, und ich freu mich schon darauf, morgen frisch wie ein Apfel um neun aus dem Bett zu hüpfen und pfeifend mit Lili spazierenzugehen, während L. sein struppiges Katerchen krault.

Samstag, 21:00. Es sieht so aus, als würde der Abend doch so ganz, ganz anders laufen. Denn als ich nichts Böses denkend aufs Klo gehe, ist klar: das war’s. So ungefähr eine Espressotasse voll Blut (entschuldigung, aber so war es) kommt auf Anhieb, das ist nicht falsch zu verstehen. Ich berappel mich noch ein paar Minütchen, wo ich gerade bin, bis einer der Gäste sich vor der Tür bemerkbar macht. Ja nun. Schnell ein bisschen Puder ins Gesicht, die Wimpern nachgetuscht (hätte ich das geahnt, hätte ich heute Morgen wasserfeste genommen) und wieder rein. Ich stehe mit L. zehn Minuten im Garten und lasse mich trösten, dann beschließt L., dass unter diesen Umständen Wein trinken auf jeden Fall ok ist.

Samstag, 23:00. Man sollte nie hungrig einkaufen gehen. Und nie traurig eine fast unbegrenzte Menge eiskalten Lieblingswein zur Verfügung haben sowie Menschen um sich herum, die einem nachschenken. Ich bin sternhagelvoll. L. sagt zwar am nächsten Tag, so schlimm war’s nicht, aber ich glaube doch, so schlimm war’s. Sogar zwei Zigaretten rauche ich. Mittlerweile bin ich schon wieder eine matratzenartige Binde weiter. Dachte ich, diesmal wäre es nicht so schlimm, weil ich eh nicht mit viel gerechnet habe und ich gerade so viel Schönes vor habe? Dachte ich. Vielleicht dauert es auch nur noch ein paar Stunden, bis diese altbewährten Trostmechanismen einsetzen. Immerhin schaffe ich es, trotz Rosé in Mengen nicht die anwesenden Damen (die allermeisten mit mehreren Kindern) mit meinem Hormonblues zu bepellen.

Sonntag, 9:00. Oh Gott. Oh Gott. So mies ging es mir selten. Das ist nicht nur ein Kater, das ist eine ausgewachsene Migräne. Und in weniger als zwei Stunden sollte ich wieder in der Agentur sein. So fürchterliche Zeiten sind es nämlich gerade. L. lacht mich aus, packt seine Sachen und macht sich bereit für zwei Tage in Berlin auf dem Theatertreffen, zu denen ich eigentlich mitsollte und wollte, aber jetzt nicht kann, weil ich immer nur arbeiten darf. Und bluten. Und spucken. Und arbeiten. Und mir irgendwelchen Kram spritzen. Und arbeiten. Ich tue mir selbst so leid, dass ich mir gerne eine knallen würde, wenn mir nur der Kopf nicht so weh täte.

Sonntag, 13:00. Agentur mit Lili. Es ist ein Elend. Ich kralle mich an der Tastatur meines Rechners fest und versuche, nicht zum achten Mal an diesem grässlichen Tag zu spucken. Draußen vor dem Fenster hört man das fröhliche Geplapper von Menschen, die heute nicht arbeiten müssen, sondern sich zum Brunchen treffen.

Sonntag, 15:00. Endlich zuhause. Noch ein paar kleine Korrekturen im Liegen, dann darf ich den Laden dicht machen. Spucken muss ich leider weiter. Zum letzten Mal so gegen zehn, dann falle ich ins Bett und schaffe es gerade noch so, den Wecker für morgen zu stellen.

Montag, 13:00. Irgendwas... fehlt. Mit meinem migränevernebelten Schädel brauche ich heute für alles ein bisschen länger, aber auch so komme ich irgendwann drauf: ich hab seit gestern Abend, zehn Uhr, nicht mehr geblutet. Und das mir, wo ich sonst mit einer Periode locker anderthalb Päckchen dicke Binden verbrauche. Da stimmt was nicht. War das am Ende doch nicht...? Aber das kann nicht sein, das war keine Schmierblutung, das war richtig, richtig viel. Panisch rufe ich meine Ärztin an, die Sprechstundenhilfe ruft zurück und hat diesen mütterlichen, leicht süffisanten Beruhigungston, den sie vermutlich auch benutzt, um einer 14jährigen Patientin zu erklären, dass man vom Knutschen nicht schwanger wird. Sie sagt (was ich schon zwanzigmal gelesen hatte, aber aus dem Mund einer Arztpraxisangestellten klingt es doch noch mal besser) dass ich mir keine Gedanken machen, weiter meine Medikamente nehmen und Donnerstag zum Test gehen soll. Und sie sagt, egal, wie verheerend das am Samstag Abend war, vermutlich hat es nicht viel ausgemacht, und wenn ich jetzt schwanger bin, ist alles in Ordnung, denn sonst würde Mücke sich jetzt verziehen. Ich rufe L. an. L. sagt, ich soll mich wieder einkriegen und bloß nicht jetzt schon wieder glauben, ich wäre schwanger.

Montag, 20:00 heute habe ich schätzungsweise 15% des Tages auf dem Klo verbracht. Bisher noch nichts. Ich erwische mich schon wieder dabei, die Hand auf meinen Bauch zu legen und mir Namen zu überlegen. Ich erwische mich sogar bei einem Tagtraum, in dem ich erfahre, es wird ein Junge, und ein bisschen enttäuscht bin. L. hat Recht, ich habe sie nicht alle. Und zwischen all dem und den Nachbeben der Migräne bin ich vollkommen fertig und am Boden zerstört, dass ich vielleicht zu voreilig am Samstag reingehauen habe und vielleicht ja doch wirklich, richtig, ernsthaft schwanger war und es jetzt doch nicht mehr sein werde, und wer weiß, vielleicht jetzt nie wieder schwanger werde, und das wäre meine Chance gewesen und ich hab sie... Stop. Bis hierher und nicht weiter.

Montag, 22:00 eigentlich bin ich hundemüde, aber ich kann nicht schlafen. Warum tut mein Bauch sowas? Ich schwöre, ich hab mir dieses Blut nicht schlimmgedacht, um auch was Nettes trinken zu können. Das war alles so wie immer: die Schmerzen, das Blut, die Menge, alles. Reichen die anderen Tricks meines Bauchs denn nicht, muss jetzt noch eine Phantom-Tante-Rosa dazukommen? Das ist wirklich ein mieser, mieser Scherz.

Dienstag, 7:00. Hellrosa Schmiere. Können wir uns diesen Affentanz nicht sparen und schnell auf Donnerstag vorspulen? Bitte.

4 Kommentare:

  1. Mhm, also egal, was da war oder ist, wenn Mücke geht, dann geht sie, egal ob du nun am SA "übertrieben" hast oder nicht. Und wer weiß, vielleicht bedeutet diese Blutung wirklich nichts. Wenn ich mich recht erinnere, hast du doch Hörnchenuterus? Das hatte meine Freundin auch, sprich, das eine Hörnchen hatte das Baby und das andere Hörnchen war sozusagen leer und daher gab es in bestimmten Abständen auch immer eine Blutung. Gestern morgen hat sie ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht. Wie du siehst, alles geht! Mach dir nicht zuviele Gedanken (ich weiß, gerade ICH sollte das nicht sagen...).
    Liebe Grüße

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  2. Hörnchenunterus wurde bei mir mal festgestellt, dann aber wieder nicht, dann wieder doch, dann wieder nicht... inzwischen habe ich beschlossen, dass meine Bauchmacken schon gefälligst regelmäßig zum Appell erscheinen müssen, damit ich sie noch in meine Überlegungen einbeziehe (deshalb ist hier z.B. auch von Zysten so gut wie nie mehr die Rede). Aber danke fürs Beruhigen, ich versuche es ja...
    Liebe Grüße zurück

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  3. Liebe Flora,

    diese Gedanken kenne ich alle sooo gut. Es ist eine ganz schlimme Zeit, aber du wirst sehen, auch die schaffst du wieder. Ich wünsche dir jetzt einfach mal, dass die Zeit bis Donnerstag ganz schnell vorüber geht.

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  4. Ich drück dir ganz fest die Daumen, dass es doch nur Fehlalarm war und es morgen vielleicht doch positive Neuigkeiten gibt!

    Sollte es so sein, hat dir die kleine Mücke den Exzess vom Samstag mit Sicherheit verziehen.

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