Donnerstag, 6. August 2009

Nenn mich nicht Resi

Es ist ja ganz schön mit dem Landleben. Die Kühe, das satte Grün, der Duft von Pferden, die Blechkuchen und das Glockengeläut... jaja, schön. Aber andererseits macht das Land mich auch fertig. Ich hab das Recht, das zu sagen, ich komme nämlich vom Land. Fast 20 Jahre habe ich zwischen Maisfeldern und Nutzvieh verbracht, und manchmal habe ich das Gefühl, das reicht fürs ganze Leben.

Auf dem Land gab es solche Episoden wie die, dass meine beste Freundin mit 16 in der Dorfbäckerei stand und wartete, bis sie dran war, während vor ihr zwei alte Weiber besprochen haben, sie wäre ja nun schwanger, aber es wäre wohl unklar, wer der Vater ist, „kee Wunner“. Sie konnte sich nur wundern, denn sie hatte die beiden noch nie gesehen, und die sie offensichtlich auch nicht. Die Bäckerin machte den beiden schon verzweifelt Zeichen, aber ohne Erfolg. Die Freundin hatte damals ihr erstes richtiges Knutschen noch vor sich. Kinder hat sie bis heute nicht.

Oder die Geschichte von dem Kindergeburtstag, auf dem die Eltern des Geburtstagskindes beschlossen, für die siebenjährigen Gäste etwas ganz Tolles zu veranstalten, etwas Besonderes! Und was waren immer die besondersten und tollsten Tage? Die Schlachttage. Also wurde zur Unterhaltung der Kinder ein Schwein geschlachtet.

Dann der Pfarrer bei uns im Dorf, der es irgendwie schaffte, die wildesten Haken in seinen Predigten zu schlagen. Eigentlich ein herzensguter Mensch, hat er z.B. zu Erntedank festgestellt, der Herrgott wüsste schon, wie er seinen Segen verteilt, und die Menschen „da unten“ in Afrika müssten sich wohl an die eigene Nase fassen, ob sie nicht mit ihrem sündhaften Verhalten, ihr wisst, was ich meine, selbst daran Schuld wären, dass es so selten regnet.

Oder der Bürgermeister, der sich zu festlichen Anlässen regelmäßig hinter die Pommesbude erbrach.

Oder die Rockerbande, die zum Spaß Dorfdiscogästen Runkelrüben an den Kopf warf.

Trotzdem gab es da auch wunderschöne Dinge, von denen Stadtkinder nur träumen können. Es gab Sommerabende auf der Wiese am Waldrand, es gab Lagerfeuer und Baumhäuser, es gab Hunde und Baden im See und Käuzchen, es gab Zelten auf den Wiesen von netten Bauern, es gab Nachtwanderungen mit Erschrecken, es gab Schneeballschlachten quer durch das ganze Viertel, und ich werde nie vergessen, wie wir mal von einem Geburtstag zwei Dörfer weiter nachts um drei mit Schlitten durch den Wald nach Hause gefahren sind.

Aber das war alles zu einer Zeit, als ich noch clean war. Die unschuldige Zeit vor meiner Internetsucht. Jetzt gerate ich angesichts von Bäumen und Kühen in Schweiß und denke panisch:

UND WIESO HAB ICH HIER KEIN NETZ?

Wir sind doch eben noch an einem Funkmast vorbeigekommen, war der nur Dekoration?

Ein großer Mobilfunkanbieter hat sich den grausamen Scherz mit uns erlaubt, uns ein paar Stunden lang in der Hoffnung zu wiegen, wir könnten mit seinem Stick (lächerlich. Wie soll das kleine Ding denn...) auch hinter den sieben Bergen ins Netz. Alles, was passiert ist, war, dass wir mit dem Stick einfach 20 Minuten länger gebraucht haben, um nicht ins Netz zu kommen. Jetzt hassen wir den großen Mobilfunkanbieter.

Gut. Aber nun beruhige ich mich wieder, denn alles ist wieder gut, wir leben in einer Wohnung, die von unsichtbaren WLAN-Wellen volle Pulle durchflutet wird, und wir können, wenn wir wollen, den ganzen Tag irgendwelchen Blödsinn googeln oder alle zwei Minuten unsere Mails checken.

1 Kommentar:

  1. Jaaa, Liebe vergeht, Hektar besteht...
    das kenn ich auch ;-)
    Falls man da in der Gegend Rummele statt Runkelrüben sagt - sowieso.
    Tapfer bleiben, lieben Gruß!
    Greta

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