Samstag, 16. Februar 2013

Wir haben schließlich gesellschaftliche Verpflichtungen

Ich hatte mir nie vorgenommen, dass sich mit der Schwangerschaft (und dem Kind) gar nichts ändern soll. Das wäre so kreuzdämlich, dass ich das glaube ich gar nicht erst erklären muss. Aber fest vorgenommen hatte ich mir, dass ich nicht versauern will. Ich will nicht schon in der Schwangerschaft jeden Abend auf der Couch liegen und um halb zehn ins Bett gehen. Das heißt, ein großer Teil von mir will genau das, dieser Teil würde am liebsten den ganzen Tag im Schlafanzug verbringen, die Hunde in die Obhut eines professionellen Gassigehers geben, auf den Job pfeifen und sich von Risotto, Pfannekuchen, Pasta und anderem Wohlfühlessen ernähren, am liebsten aus riesigen Schüsseln im Bett oder vor dem Fernseher gegessen. Und jedes Mal, wenn ich etwas vorhabe, das von dieser paradiesischen Aussicht abweicht, muss ich heftig gegen diesen Teil ankämpfen. Gestern Abend war so ein Abend. Wir hatten das bestimmt schon vor drei Wochen ausgemacht, dass wir uns treffen, und ich hab mich seit Tagen drauf gefreut. Um neun waren wir verabredet. Und ab halb sieben schrie mein ganzer kugeliger Körper nach meinem Schlafanzug, der neuen Superwundermatratze (die die Lage mit meinem inneren Schwangerhund ehrlich gesagt auch nicht gerade verbessert hat), irgendeinem Schlonzfraß gefolgt von Schokoladeneis und jedenfalls frühem, frühem Schlaf. "Dann bleib zuhause" sagte der kluge L. "Oder geh hin. Aber hör jedenfalls auf zu maulen". Ich muss sagen, ich bin immer wieder froh und dankbar, dass L. nicht mit mir schwanger ist, wie so viele Männer das zu sein scheinen. Ein verständnisvolles "armer Schatz" und ein paar Streichler über den Rücken hätten in dieser Sekunde gereicht, um mich für den Abend ans Sofa zu ketten. Also habe ich mich für ein kurzes Discorätzchen entschieden (bei mir läuft das leider immer darauf hinaus, dass ich eine Stunde im Bett liege, an die Decke starre und danach müder denn je wieder hoch muss, aber versuchen kann man's ja mal) und fand mich kurze Zeit darauf mit getuschten Wimpern, pinkfarbenem Lippenstift, einem Spritzer Parfum und meiner Ausgehplaylist auf Endlosschleife auf dem Weg in die Stadt. Und natürlich war das genau richtig. Kaum habe ich die Mädchen gesehen, wusste ich das auch, aber vom Sofa aus ist das alles so unendlich weit weg. In meiner müdesten Minute hatte ich mir vorgenommen, bis elf durchzuhalten, geblieben bin ich bis zwanzig vor eins und bin schwer gespannt, was der Rest der Bande gestern noch erlebt hat.
Was ich gestern noch erlebt habe, war fast noch nie: die zweite Alkoholkontrolle meines ganzen langen Lebens. Ein Leben, in dem ich tausende Male spät abends oder nachts am Wochenende im Auto unterwegs war, gerne auch in Ausgehstadtteilen und deshalb mit Garantie umgeben von lauter Leuten, die der Meinung sind, mit vier Gläsern Wein noch problemlos fahren zu können. Hat das die Polizei jemals interessiert? Kein bisschen. Auch diese Kontrolle gestern lief besorgniserregend lässig. Die Herren waren schon ca. einen Kilometer mal hinter, mal neben mir. An irgend einer Ampel signalisierte der eine mir, ich sollte doch mal das Fenster runterkurbeln. "Haben Sie Alkohol getrunken?" rief er mir vom Auto aus zu. "Nee." "Wie viel?" "GAR KEINEN!!!" "Haben Sie ihren Führerschein dabei?" "JAHA!" "So mögen wir das. Schönen Abend noch." Und ich hätte so gerne gepustet! Den Rest der Fahrt habe ich mich allerdings gefragt: warum ich? Liegt es an meiner tiefergelegten kleinen Prollschüssel? Oder am HSV-Kennzeichen, ein Herzenswunsch von L., den ich zähneknirschend erfüllt habe? Oder liegt es daran, dass ich offensichtlich ohne Spiegel weniger gut blind Lippenstift auftragen kann, als ich dachte, wie ich zuhause beim Abschminken festgestellt habe, als ich mir das Clowns-schnütchen aus dem Gesicht gerubbelt habe? Oder war ich einfach nach 22 Jahren Führerschein mal wieder dran?

Gut. Damit zum Ratgeberteil des heutigen Posts. (Ungerecht, ich weiß: ich darf Ratschläge verteilen, ihr nicht.)
1. Nachdem mir Weleda Schwangerschaftsöl zu langsam einzog und die Wäsche gelb machte und Penaten sich anfühlt und wirkt wie ein Industrieabfallprodukt, bin ich jetzt zur Luxusvariante übergegangen: Nuxe huile prodigieuse. Das Fläschchen enthält nur 50 Mililiter und kostet 17 Euro, aber man braucht für jede Bauchrunde nur ein paar Tropfen. Es duftet wie der Himmel, zieht sofort ein und fühlt sich jedes Mal an, als würde ich meinem Bauch ein besonders leckeres kleines Pralinchen spendieren. Ich nehme das direkt nach dem Duschen auf nasser Haut, und vor dem Einschlafen sprühe ich einen dicken Strahl Thermalwasser auf den Bauch und benutze es danach. Ich werde berichten, ob Streifen kommen oder nicht. Die Kugel ist jetzt schon beachtlich und wird bestimmt demnächst die Sonne verdunkeln, wenn ich dann keine Streifen kriege, dann wird dieses Öl auch nach der Schwangerschaft in meinen ewigen Waschbeutel aufgenommen.

2. Ich trinke wirklich gerne alkoholfreies Bier, aber es macht leider einen fürchterlichen Blähbauch. Gestern hatte ich zum zweiten Mal Ipanema, das ist Caipirinha ohne Alkohol: Ginger Ale, Limette, brauner Zucker, Eis. Ziemlich lecker, und man fühlt sich nicht mehr wie das einzige kleine Apfelschörlchen am Tisch, auch wenn mehr Limette und weniger Zucker noch besser gewesen wären. Aber das trinke ich ab sofort auch zuhause.

3. Meinen Yogakurs habe ich jetzt abgesagt und auf meine Email noch keine Antwort bekommen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es nicht mehr besser wird und dass tanzen mit geschlossenen Augen jedenfalls in meinem Fall der Entspannung nicht förderlich ist. Außerdem bleibt es dabei, dass wir gerade Momo nicht allein lassen können bzw. wollen und L. Donnerstags nicht da ist. Jetzt turne ich mindestens jeden zweiten Tag 45 Minuten zu meiner "Fit mit Babybauch"-DVD, außerdem jeden Tag mindestens 60 Minuten strammer Spaziergang mit den Hunden plus 30 Minuten herumbummeln in der Mittagspause plus zehn Minuten zur Ubahn und zehn Minuten zurück, das sollte an Bewegung reichen. Und wo ist da jetzt der Ratschlag? Ach ja: wenn sich eine von euch für einen Yogakurs in der Schwangerschaft interessiert, keine Expertin in diesem Fach ist und aber jetzt schon weiß, dass auch sie sich beim Mantra-Chanten nicht in die erste Reihe drängen wird, dann rate ich, einen Bogen um Kundalini Yoga zu machen.

Und dann habe ich noch eine kleine Sensation zu vermelden. Gestern Nacht, als ich irgendwann so gegen viertel nach eins zum schlafenden L. ins Bett gekrochen bin und ihm noch eine Viertelstunde lang ungefragt ein Kurzreferat über den Abend gehalten habe, da war es plötzlich da: ein Klopfen. Und dann noch eins. Und noch eins. Unten links. Und dann war ich doch lieber fein still.

9 Kommentare:

  1. Öl hin oder her. Eine Schwangerschaft im etwas vorgerückteren Alter bietet den Vorteil, ein bereits schwächeres Bindegewebe zu haben, welches dann nicht mehr "reißt". Aber wenn es gut riecht, das Öl......
    Liebe Grüße, Akronym (Kind streifenfrei mit fast 44 Jahren bekommen)

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  2. Kleiner Testbericht von meiner Seite:
    Gesamte Schwangerschaft mit einer Flasche Weleda ausgekommen und vollständig streifenfrei geblieben. Nuxe ist aber natürlich vom Allerfeinsten und steht auch in meinem Sortiment. Ebenso wie das Remederm-Öl von Louis Widmer - ebenfalls sehr zu empfehlen.

    Und zum Gesöff: Seit meiner SSW, die nun schon fast 3 Jahre her ist, bin ich regelrecht süchtig nach - Achtung Schleichwerbung: "Neumarkter Lammsbräu Dunkles Weißes, Bio" (alkoholfreies Weizenbier). Der Geschmacks-Kracher, gibts aber leider nicht in allzu vielen Getränkemärkten.
    LGe und weiterhin fröhliches Klopfen und Blubbern im Bauch :-)

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  3. Hallo Flora!
    Habe während meiner ersten ICSI dein Buch gelesen, es hat mir so viel Kraft gegeben und Mut gemacht in dieser Zeit. Seitdem habe ich immer mal wieder in Deinem Blog gelesen, bin aber seit ich, nach langem Kinderwunsch, endlich Mutter geworden bin, kaum noch dazu gekommen. Und jetzt lese ich, dass Du schwanger bist und schon im fünften Monat, wie toll! Ich freue mich so unglaublich mit Dir, dass mir beim lesen die Tränen kamen! Ich weiss so gut, wie unglaublich das ganze ist, wenn man nach so einer langen Zeit schon kaum noch damit rechnet.
    Das musste ich Dir jetzt unbedingt schreiben.
    Alles, alles Gute!
    Frieda

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  4. Herzlichen Glückwunsch zum Klopfen - ein unfassbarer Moment!!

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  5. Ich habe einfach Olivenöl genommen. Günstig und streifenfrei. (die deutschen Produkte gibt's hier entweder nicht oder nur sehr teuer und die lokalen haben meist einem Haufen Zusätze drin. Habe dann auch die Energie zum Weitersuchen verloren)

    Gruß und Gratulation!

    C aus CA

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  6. Mein Kommentar bezieht sich eigentlich auf den Post vor ein paar Tagen zur Geburt - ich weiß ich bin etwas spät dran.

    Bei mir könnte es ja jeden Moment losgehen - liebe Flora - wie hast Du so schön geschrieben "zum Bersten schwanger :-) Naja, es kann auch noch 5 Wochen dauern. Und bis vor einigen Tagen, habe ich immer brav Abstand gehalten vor zu vielen Details und Mythen über die Geburt.

    Ich wollte das lieber alles gar nicht so genau wissen. Irgendwie so, wie beim Fallschirmsprung damals. Hätte mir jemand vorher gesagt, Du fliegst mit einer klapprigen Maschine bis auf 4.000 Meter und sitzt dann auf der Kante der offenen Tür, schaust in die Tiefe und wirst von Deinem Flugbegleiter vornüber runtergestürzt, hätte ich dieses grandiose Erlebnis wohl nie gewagt. Ich habe mir die Seele aus dem Leib geschrien und am Ende war es voll der Glücks-Adrenalin-Flash. Ob, das nun bei der Geburt auch so wird, bin ich mir alles andere als sicher. Mein Eindruck ist, es kommt wie es kommt und am Ende sowieso anderes, als man es sich vorstellt oder wünscht. Und beeinflussen kann man es auch nur minimal.
    Also habe ich alle "Geburtserzählerinnen", die mir ungefragt ihre Geschichten erzählen wollten, abgeblockt.

    Und dann kommt Flora und stellt die Frage: Wie ist das eigentlich? Ich will das ganz genau wissen.

    Jetzt habe ich hier doch alle Kommentare gelesen und muss sagen: Vieles davon hat mich tatsächlich ein bisschen beruhigt und mir Mut gemacht. Liebe (ehemalige) Abkürzungsdamen und Blog-Leserinnen, vielen Dank fürs Mutmachen und Schilderungen ohne viel Hysterie und Horror. Ich pack dann mal wirklich meine Kliniktasche (nicht nur auf dem Zettel) und bin dann startklar.

    Liebe Flora, solltest Du doch noch einen Termin für den Stammtisch in den nächsten Wochen finden, würde ich mich sehr über das "Ablenkungsmanöver" freuen. Wir müssen auch sicher nicht über die Geburt reden, schließlich gibt es ja bestimmt auch einige Abkürzungsdamen in Warteschleifen, die kommen werden. Diesen ganzen Wartezeiten-Zirkus vergisst man trotz Schwangerschaft auch nie im Leben und jedes Klopfen im Bauch erinnert einen daran, dass es nicht selbstverständlich ist und ein langer Weg dahin war. Also ich bin mir sicher, es gibt genügend anderen Gesprächsstoff.

    Sollten wir uns vorher nicht mehr sehen, kann ich nur noch den Tipp loswerden: Geburtsvorbereitungskurs - Wochenend-Crash-Kurs bei Maja Häuser war gut. Sehr informativ, nix Esoterisches und die Männer mussten sich auch nicht durch den Geburtskanal tanzen (soll es ja geben :-)).
    birgit

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  7. Jetzt hatte ich gerade Gänsehaut und Tränchen in den Augen...Wegen dem Klopfen...

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  8. Danke für den Tipp mit dem Öl. Es klingt total gut wss Du darüber schreibst, und im Netz wird es auch von allen in den höchsten Tönen gelobt. Da hab ich mir doch gleich mal ne 100 ml Sprühflasche bestellt, ist mit 27, 11 € etwas billiger als 50ml. Bin zwar noch nicht schwanger bzw befinde mich in den unendlichen 2 Wochen Wartezeit nach der IVF, aber meine trocken Haut wird es mir auch so danken. Gruß aus Berlin, Hannah

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  9. Anmerkung zum Huile Prodigieuse: hab es eben bekommen und sofort ausprobiert.SUPERKLASSE! Und die Internetapotheke wo ich es bestellt habe hat sogar noch einen schönen Lipgloss von Nuxe als Geschenk obendrauf gepackt. Das Zeug ist echt teuer aber auch echt ein Bringer! Danke nochmal :-)

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