Dienstag, 5. März 2013

Einige vollkommen ungeordnete und rein subjektive Erfahrungen einer Abkürzungsdame im sechsten Monat.

1. Das mit den Lebensmitteln und den Keimen ist halb so wild. Allerdings sollte man, wenn man sich nicht während der Zubereitung eines Hühnchens zwölf mal die Hände waschen will (Rohes Huhn angefasst. Hände waschen. Salzmühle und Pfeffermühle benutzt. Huhn gewendet. Hände waschen. Salzmühle und Pfeffermühle wieder benutzt. Huhn mit Thymian und Knoblauch gestopft. Hände waschen usw.), in eine Packung CSI-Einweg-Handschuhe investieren.

2. Entweder die Schwerkraft hat zugenommen und das Ende der Welt ist nah, oder ich bin einfach seit Neuestem zu doof, einen Tag zu überstehen ohne etwas fallen zu lassen.

3. Die Schwangerschaft und ich, wir leben während großer Teile des Tages friedlich nebeneinander her. Bis sie mich dann plötzlich erwischt, wenn ich am wenigsten damit rechne. Gestern saß ich in meinem komplett verglasten Büro und bin in Tränen ausgebrochen, weil die auf der Homepage des Montessori-Kindergartens um die Ecke so nett über die Individualität des Kindes geschrieben haben.

4. In Schwangerschaftsbüchern, Schwangerschaftsartikeln und Schwangerschaftsapps steht ständig, dass Männer schwangere Frauen zum Durchdrehen heiß finden. Abseits davon ist dieses Phänomen scheinbar unbekannt.

5. Auf alle, die gegen Esoterik genau so allergisch sind wie ich, kommt eine Desensibilisierungsphase zu. Ich bin ein harter Hund, versteht ihr das nicht? Schwanger oder nicht, würde jemand Clint Eastwood mit Walgesängen im Kreißsaal, Kügelchen oder Übungen kommen, bei denen seine Lunge seinem Kind zulächelt? Ibäh.

6. Ich dachte immer, ein Kind zu bekommen ist der letzte Schritt, um vom Rest der Welt als vollwertige Erwachsene betrachtet zu werden. Aber noch nie haben so viele Leute versucht, mir reinzuquatschen, mich zu bevormunden oder mich umzuerziehen. Meine Reaktion darauf schwankt zwischen auf Durchzug stellen (meist vergeblich) und Hasspickeln (unansehnlich). Der Tag wird kommen, da brülle ich los und werfe mit Sachen. Und mit diesem Kugelbauch werde ich mich mit Sicherheit nicht bücken, um sie hinterher wieder aufzuheben.

7. Ich kann mich auch irren, aber ich habe den Eindruck, ungerechterweise wird das Ultraschallgel für den Bauch mollig vorgewärmt, während die Abkürzungsdamen sich mit dem auf 7° runtergekühlten Zauberstab abfinden müssen.

8. Das Bauchthema hat mich bisher verschont. Während dieser Schwangerschaft hat zum Glück noch niemand versucht, meinen Bauch anzufassen. Sehr gut, Rest der Welt, weiter so!

9. An mir ist fast der komplette bunte Blumenstrauß an frühen und mittleren Schwangerschafts-Symptomen vorbeigegangen. Anfangs hat mir das oft Sorgen gemacht. Den größten Teil davon hätte ich mir sparen können, wenn ich einfach von Anfang an überhaupt keine Sekunde in Foren zugebracht hätte. Eine Woche hat gereicht, um mich an den Rand der Paranoia zu treiben. Wer ähnlich veranlagt ist: lieber wegbleiben.

10. Das mit den Fristen ist kompliziert. Was muss bis wann passiert sein? Letzte Woche bin ich z.B. fast ausgelacht worden, als ich mich in meinem Wunschkrankenhaus zur Geburt anmelden wollte. "Da haben sie ja noch Zeeeeeeeit!". Mein Anmeldungstermin ist jetzt im Mai, lässig ist das. Die Hebammen dagegen haben mich ausgelacht, sofern sie zurückgerufen haben. Für die Vorsorge hätte ich mir in Hamburg scheinbar unmittelbar nach dem positiven Test eine suchen müssen. Jetzt habe ich aber eine, die zurückgerufen und mir gesagt hat, klar wäre das überhaupt kein Problem, die Nachsorge zu übernehmen - da wäre ja noch reichlich Zeit. In den nächsten Wochen mache ich mich daran, Elterngeld zu beantragen. Ob ich damit viel zu früh, viel zu spät oder genau richtig dran bin, keine Ahnung. Eine Bekannte hat sich schon vor Wochen an den Kopf gefasst, dass ich noch kein Bett und keinen Kinderwagen geordert habe - unfassbar, habe ich noch nie was von Lieferfristen gehört? Im Laden haben sie uns gesagt, sechs Wochen vorher reicht dicke, und auch die brauchen wir nicht, wenn wir nicht zu konkrete Vorstellungen haben, was die Farbe von Ziernähten etc. betrifft. Kitas, hört man immer, muss man eigentlich am Morgen nach der Zeugung anfunken. Die, für die wir uns interessieren, möchte gerne wissen, wann unser Kind Geburtstag hat und ob es schon getauft ist. Bis ich durch dieses System durchgestiegen bin, ist das Würmchen vermutlich eingeschult (vermutlich auch entweder zu früh oder zu spät). So ist das wohl.

11. Die Abkürzungszeit ist immer noch da, sie steckt mir in jedem Knochen. Aber auch, wenn ich schon nicht mehr daran geglaubt habe - irgendwann kommt sie: die Zeit, in der ich einfach schwanger bin. Nicht schwanger gegen jede Wahrscheinlichkeit, wie durch ein Wunder schwanger, schwanger trotz Endo, Myomen, Zysten und einem insgesamt feindseligen Uterus, sondern schwanger.

12. Sollte unter meinen Leserinnen eine sein, die so dermaßen vom Abkürzungsschicksal unbeleckt ist, dass sie sich einfach aussuchen kann, zu welcher Jahreszeit sie wie schwanger sein will: bisher bin ich rundum begeistert von meiner Zeitplanung. Versuch im Herbst, schwanger Anfang November, dann über den Winter viel Zeit zum Herumlungern und früh Schlafengehen, und in dem Moment, in dem der Bauch droht, den Reißverschluss meiner Winterjacke zu sprengen, ist der Winter vorbei. Im Frühjahr noch mal letzte Gelegenheit zu ein paar netten Kurzurlauben zu zweit, und wenn die Affenhitze beginnt, sitze ich sowieso zuhause und brüte auf meinem Klinikkoffer. Ich find's gut so und kann das nur empfehlen.

13. Das Öl, das Penaten zum Baucheinschmieren herstellt, ist ein großer Mist. Erst machte es den Bauch schmierig, dann hat es ihn ausgetrocknet, und als Nebenwirkung gab es den miesesten Juckreiz seit meinem letzten Allergieschub wegen einer irrtümlich geschluckten Aspirin. Zum Glück war die bisher schlechteste Investition dieser Schwangerschaft auch eine der kleinsten.

14. Einige sagen, meine Kinderwunschärztin hat schon ein dickes Dankeschön von mir bekommen, und zwar in Form eines mächtigen Stapels pünktlich bezahlter Rechnungen. Ich sehe das anders. Wenn er gesund auf der Welt ist, bekommt sie von mir ein neues Paar Berkemänner und eine Flasche von meinem Lieblingschampagner. Es wird mir eine große Freude sein.


4 Kommentare:

  1. Ja, es ist die perfekte Zeit, schwanger zu sein, denn du wirst ein Sommerbaby haben!
    Elterngeld kannst du erst nach der Geburt beantragen ;-), aber es kann ja nicht schaden, sich schon mal alle Unterlagen rauszulegen...

    Gruß, Christin

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  2. Ganz toller Post, hat beim Lesen unglaublich viel Spaß gebracht! Danke!

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  3. Ja, dem kann ich mich nur anschließen: thematisch abwechslungsreich, informativ, auch komisch :) ich hatte viel Spass beim Lesen!

    Apropros Punkt 10.Fristen:
    Was ich neulich schon überlegt habe: blogst du weiter, wenn das Würmchen auf der Welt ist? Vielleicht bin ich mit meiner Frage ja auch zu früh, zu spät kann's noch nicht sein *g* ?

    LG
    ZweiLinien

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  4. Ich kann mich auch nur anschließen - wirklich toller Post in einem sowieso schon tollen Blog. Ich freue mich schon, auch weiterhin noch ganz viel von dir zu lesen.

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