Donnerstag, 15. Oktober 2009

Ferien vom Kinderwunsch

Vor zwei jahren stand mein fünfzehnjähriges Abitreffen an, aber ich habe geschwänzt. Nicht nur, weil ich dafür das halbe Land per Bahn hätte durchqueren müssen. Auch nicht nur, weil ich schon wusste, dass die paar alten Freunde, die ich gerne wiedergesehen hätte, nicht da sein würden. Und auch nicht nur, weil ich was anderes vorhatte oder weil das Treffen beim schlechtesten Griechen der Welt stattfinden sollte. Nein, der Hauptgrund war: mir hatte schon das zehnjährige Abitreffen ziemlich gereicht. Denn damals war ich an einem Tisch gelandet, an dem nur Frauen saßen, mit denen ich schon zu Schulzeiten überhaupt nichts zu tun gehabt hatte, und die über nichts anderes gesprochen haben als über Kinder. Kleine Kinder, frisch geborene Kinder, geplante Kinder, Kinder im dicken Bauch. Hätte mich nach zwei Stunden jemand von diesem Tisch weggeholt und mich gefragt, welche dieser Frauen welchen Beruf hat, ich wäre echt ahnungslos gewesen. Ich hätte auch nichts dazu sagen können, ob sie glücklich sind, wie es ihren Eltern geht, ob sie vorhaben, irgendwann noch mal woanders zu leben als immer nur hier und wohin ihr nächste Urlaub geht. Ich hätte eigenartigerweise bei vielen auch nicht sagen können, wie die Kinder heißen, obwohl doch von nichts anderem als von den Kindern die Rede war. Purzelchen? Kleini? Zwerg? Es gab auch ein Zwillingspärchen ("aber nicht, dass ihr jetzt denkt, wir hätten da nachgeholfen", wie die Mutter eifrig versicherte) das von Mama immer nur "die Kids" genannt wurde. Irgendwann fiel dann doch auf, dass ich noch gar nichts über Kleini und Purzelchen erzählt hatte. Zum Glück hatte ich eine Erklärung parat: leider gerade Single. Daraufhin hat mir eine Frau, die mich den ganzen Abend irrtümlich "Christina" genannt hat, den Zeigefinger in die Seite gerammt und gesagt "Dann sieh aber mal zu, Tick-Tack!". Fröhliches Gelächter am ganzen Tisch.
So war das Zehnjährige.

Zum Fünfzehnjährigen hatte das Internet endgültig auch bei uns im Dorf Einzug gehalten, und es gab diesmal eine Abitreffen-Vorbereitungs-Homepage komplett mit Forum. In diesem Forum stand neben jedem Post das Bild des Schreibers. Und ich lüge nicht, nein! Ich denke mir das nicht aus! Zwei Drittel der Frauen (ich habe es nachgezählt, ehrlich!) hatten statt einem eigenen Bild ein Bild ihres Babys da eingestellt. Lauter freundlich guckende, zahnlose rosa Rundschädel. Es war zum Gruseln. Beim letzten Mal hatte ich den Eindruck bekommen, dass diese Frauen hauptberuflich Kleini-Mutti waren, diesmal war es sogar so wie in diesen alten Science-Fiction-Filmen, in denen Menschen durch Doppelgänger aus dem All ersetzt werden, und zuerst merkt es kaum jemand, und dann - huaaah! Die Frauen waren verschwunden, heimlich gegen ihre Kinder ausgetauscht.
Jedenfalls war ich dann eben nicht auf dem Treffen und auch nie wieder auf der Homepage. Ich hatte aus irgendwelchen Gründen schlagartig das Interesse verloren. Falls jemand aus meinem Abijahrgang mal zufällig über diese Seite stolpert und sich fragt, was aus "Christina" geworden ist: es geht mir gut! Macht Euch keine Sorgen! Bis zum dreißigjährigen Abitreffen sind die Kinder ja dann aus dem Haus, vielleicht schnuppere ich dann mal wieder rein.

Jedenfalls musste ich gestern daran denken, weil ich gerade wieder mal ganz nah an meiner Heimatstadt bin. Und weil ich mich in den letzten Wochen auch extrem viel mit Kindern und den Gründen, warum sie kommen oder nicht, beschäftigt habe. Ich war plötzlich mein eigenes Schreckgespenst: ich war hauptberuflich unfruchtbar! Jede freie Minute habe ich entweder mit einem Unfruchtbarkeitsbuch, dem Blog oder dem geheimen Superprojekt zugebracht, das natürlich auch etwas mit diesem ganzen Schlamassel zu tun hat. Nicht, dass es mir keinen Spaß gemacht hätte. Das war sogar alles ziemlich aufregend, und das geheime Superprojekt ist gestern gerade in die nächste Phase gegangen und schlägt sich bisher sehr gut. Aber kann es deshalb angehen, dass L. in der Wohnung im Moment auf Schritt und Tritt über Bücher mit dicken Bäuchen un dkleinen Kindern auf dem Titel stolpert? Oder dass ich mich dabei erwische, wie ich auch schon ständig diese Abkürzungen verwende? Samstag breche ich mit einem alten Freund in den Urlaub auf, wir wandern ein paar Tage durch den bunten Wald und sitzen Abends glücklich und müde vor unseren Schnitzeltellern. Wie sich jetzt erst herausstellt, schlafen wir in einer Blockhütte mitten im Wald am Ende eines nicht asphaltierten Weges. Noch wissen wir nicht, ob wir da Handtücher und Bettwäsche mit hinbringen müssen, aber ich glaube, die Chancen auf WLAN sind in dieser Hütte eher gering. Von Samstag bis Donnerstag mache ich also Ferien vom Blog, vom Kinderwunsch und überhaupt. Ich habe auch keins der Würmchenbücher im Gepäck. Der Blog wird mir fehlen, und für das Superprojekt kann ich gerade sowieso nichts anderes tun als warten. Aber ich hoffe, dass diese paar Tage in der Herbstsonne das ganze Thema wieder ein bisschen auf normale Größe zurechtstutzen. Bevor es mir eines Tages passiert, dass ich in einem Forum mitschreibe und statt meines Bildes ein mehrere Monate alter Ultraschall erscheint.

Ach ja, und wo ich gerade beim alten Ultraschallbild bin: meine Hormonküche hat es nun endlich verstanden, meine Werte sind bei Null.

2 Kommentare:

  1. Hallo Flora,
    das mit dem Abitreffen kann ich bestens nachvollziehen. Hatte diesen Sommer 15-jähriges, und bin hingegangen, weil meine beste Freundin aus Schultagen auch kam und mich ein bisschen gedrängelt hatte. Und es war wie befürchtet: lauter Smalltalk über Kinder, Hausbau, Beziehungen. Gut, die Jobs kamen auch vor, also nicht ganz so einseitig wie bei deinem Treffen....
    Aber wenn man ansonsten mit guten Freunden tiefgehende Gespräche über Lebensziele, Glück, Leid und Ungerechtigkeit führt, ist so ein Abend echt unnötig.
    Viel Erfolg beim Abschalten im Herbstwald, und nimm statt Bettwäsche lieber nen warmen Schlafsack mit!

    gruß, fieselchen

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  2. Tja das haben Abitreffen scheinbar so an sich :-b genau aus diesen Gründen verzichte ich darauf!
    Spaziergänge und einsame Hütte im Wald klingt traumhaft! Ich würde auch zum Schlafsack tendieren :-)
    oenskedroem

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