Montag, 14. Januar 2013

Fünfzehn

Fünfzehnte Woche geht bisher ungefähr so: man sieht meinen Bauch. Man sieht ihn inzwischen auf eine Art, die bisher kein Weizenbrötchen, keine Ladung Pasta und kein Bier zustande gebracht hat. Außerdem habe ich mir sagen lassen, ich hätte schon diesen gewissen Gang, immer ein bisschen zu gerade und würdevoll und gemessen. Der Bauch hat in den letzten Tagen mehrere Menschen, die ohne ihn zu schüchtern oder höflich gewesen wären, dazu gebracht, mich zu fragen, ob ich schwanger bin oder mir gleich zu gratulieren. (Das ist auch früher schon mal passiert, so richtig schlimm fand ich das nie, eher lustig: "Sind Sie schwanger?" "Nö, verfressen.") In der Agentur glotzen sie mich durch ihre Glasbürowände an wie Goldfische. (Hat sich scheinbar noch nicht rumgesprochen, dass wenn ihr mich seht ich euch auch sehe... nuja.) Am vegetarischen Buffet in der Mittagspause blockiere ich nicht mehr stundenlang die Schlange eiliger, hungriger Innenstadtmenschen, weil ich erst lange überlegen muss, was ich darf und was nicht. (Eine meiner amerikanischen Apps will mir das Essen an Buffets insgesamt verbieten, aber da hat sie sich die falsche ausgesucht.) Meine neue Winterjacke, die ich im Netz gekauft habe und die deshalb ein bisschen stramm sitzt, geht gerade noch so zu, wenn ich drunter keinen Pulli, sondern nur ein dünnes Hemdchen trage. Irgendwann in den nächsten Tagen muss ich damit anfangen, den Reißverschluss von unten ein Stück aufzumachen, und ich hoffe sehr, dass dieses Jahr Anfang Februar der Frühling kommt. Meine Mädchen haben mir ausrichten lassen, dass sie ohne mich nicht in den Sommerurlaub fahren wollen, was ich sehr rührend finde, aber ich würde ihnen dringend raten, diese einmalige Chance zu nutzen und einen Urlaub zu machen, auf den ich nie im Leben Bock hätte (Strand und Sonne den ganzen Tag, eine winzige Bude ohne Pool und mit zwei Behelfskochplatten in einer Klappküche und Abends in die Strand-Disse), bevor ich wieder mitkann und ihnen das alles vermassele. Ich habe drei Dauerpickel: einen links in der Nasenecke, zwei an meiner Pickelstammstelle rechts unterhalb meines Mundwinkels. Ob es an den vielen Weihnachtskeksen oder der Knallerbse liegt, weiß der Himmel. Die ärgste Müdigkeit ist überstanden, so lange ich nichts körperlich anstrengendes mache, danach ist alles zu spät. Wenn man das Dschungelcamp nicht am nächsten Tag im Netz gucken könnte, wäre ich gesellschaftlich erledigt. Mein Vater bereitet sich auf seine Großvaterrolle vor, indem er entschieden hat, dass unser Pflegehund (eine anschmiegsame, zärtliche alte Hundedame von neun Jahren, die mir den ganzen Tag hinterhertrottelt) jetzt aber weg muss, weil das schließlich nicht geht mit Kind. Ich habe ihm in meinem schlimmsten Feldmarschall-Ton gesagt, dass das nicht zur Diskussion steht. Das lassen wir gar nicht erst einreißen. Ich habe immer noch keine Ahnung, in welchem Krankenhaus ich mein Kind bekomme, falls ich es bekomme, und es zeigt sich, dass ich mir das langsam überlegen muss, so albern mir das auch vorkommt; denn die Hebammen hängen an einzelnen Krankenhäusern, und eine Hebamme sollte ich mir langsam suchen, sonst kriege ich keine mehr und bekomme mein Kind unter Aufsicht eines Praktikanten und des Pizzaboten, wenn es blöd läuft. Letzte Woche hat mir jemand erzählt, jetzt wäre es aber höchste Eisenbahn, mich um einen Kitaplatz zu kümmern. Sollte ich schon mal eine Altersvorsorge abschließen, was meint ihr? Jeden morgen massiere ich meinen Bauch mit Weleda Schwangerschaftsöl, wobei massieren wohl etwas übertrieben ist, sagen wir, ich schmiere ihn ein, zu mehr fehlt mir die Geduld, und weil unsere Fenster im Bad immer noch einfachverglast sind, würde ich mir den Tod holen, wenn ich da wirklich zehn Minuten streichen und zupfen würde. Seit Tagen habe ich vor, zum ersten Mal schwimmen oder sogar zur Wassergymnastik zu gehen, aber gestern hatte ich den Hunden auch einen dicken Spaziergang versprochen, und der wurde zehn Kilometer lang, die Hunde waren glücklich, danach war es dann gut mit Sport. Dafür gehe ich am Donnerstag zum ersten Mal zum Schwangerschaftsyoga. Und der Nestbautrieb setzt langsam ein, zu L.s großer Freude, der seit Jahren irrtümlich glaubt, ich wäre die unordentliche von uns beiden, die Hausarbeit grundsätzlich meidet wo sie kann. Es werden tatsächlich Bilder aufgehängt, und gestern habe ich freiwillig den Weihnachtsbaum abgeschmückt, die Figürchen und Kerzenclips entwachst, das Wachs vom Boden gekratzt und die Nadeln zusammengefegt, die Deko von den Fenstergriffen und Türen entfernt und ordentlich weggepackt, meine Post geöffnet und abgeheftet, den Kühlschrank saubergemacht und Zeitschriften ausgemistet. Wenn das so weitergeht, bekommt die Knallerbse einen vollkommen falschen Eindruck von mir.

4 Kommentare:

  1. Das klingt doch alles gut :) und ich denke es ist gar nicht so schlimm, dass Du noch nicht so richtig dran glaubst. Wenn man so lange auf etwas wartet, hat man einfach die Handbremse angezogen. Das kommt schon noch! Unterdessen hast Du ja offenbar genug zu tun...Weiterhin alles Gute :)

    AntwortenLöschen
  2. Hach, sehr schön ;-)
    Ich habe mir auch vorgenommen, den "Statistik-Bogen" der Privatklinik in Jena, die unseren Sohn per ICSI gezeugt haben (23. SSW) nach der Geburt nicht nur mit einem herzzerreißenden Foto zu beglücken, sondern denen den Hinweis mitzugeben, dass alle Frauen nach dem Transfer bitte gleich die Kitas abklappern sollen. Ich wurde in der 11. SSW von einer Kita-Leiterin angeflaumt, wieso ich mich "jetzt erst" um einen Platz bemühe...

    Ähm... ja, wieso eigentlich erst JETZT???

    Also: machen! Jetzt!

    AntwortenLöschen
  3. Deine Zurückhaltung, nach meinen fast 10 Jahren Kiwu mit x Behandlungen und 3 Sternchen, kann ich so gut nachfühlen, deshalb wünsche ich Dir so sehr das Du es jeden Tag mehr glauben kannst,dein Sommerkind bald im Arm zu halten. Du bist schwanger ohne WENN UND ABER liebe Flora. wow

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Flora, es ist so schön, dass Deine wichtigen Dinge zusammenwachsen (und zusammen bleiben): Legehenne und Eiertanz und vorallem Du und Deine kleine "Knallerbse". Ich freue mich riesig für Dich, dass Du Dein Baby erwartest!
    Ich bin eine der Abkürzungsdamen von Deinem letzten Stammtisch im Gloria. Eine von den drei letzten Damen am Rotwein. Ich bin in der 13. Woche. Nach viel Blut in den ersten Wochen ist die Schwangerschaft mittlerweile stabil. Es war mein letzter Versuch und ich fange erst langsam an zu glauben, dass es tatsächlich gut wird.
    Ich drücke Dir sowas von die Daumen, dass bei Dir alles gut weiter geht - woran ich fest glaube, denn 15. Woche und Dein prima Ergebnis aus dem Ersttrimesterscreening sind schon 'ne ziemliche Bank.
    Alles Liebe. Sanne.

    AntwortenLöschen