Zurück aus Berlin fiel mir dieser rammdösige Artikel aus der TAZ wieder ein. Der, in dem es darum ging, dass ein Leben ohne Kind heute ja scheinbar sowas von out ist, dass sich Frauen schon ein bisschen genieren, wenn sie statt niedlicher Gören einfach NICHTS durch die Gegend schieben und zur musikalischen Früherziehung fahren können, und dass nur so zu erklären ist, dass sich diese vielen Frauen, um diesem unchicen Zustand zu entrinnen, unfassbar schmerzhafte Kinderwunsch-Behandlungen auf sich nehmen. (Ich weiß ja nicht, wie es euch ging, aber meine Rückübertragung war definitiv NICHT schmerzhaft. Es hat ein bisschen gedrückt, aber das entsprach dem Schmerzniveau "boah, ich hab neue Schuhe an und die haben die Bushaltestelle schon wieder um 50 Meter verlegt". Und davon, wie wenig die Spritzen weh tun, habe ich ja früher schon geschwärmt. Kann natürlich sein, dass das dicke Ende diesmal mit dem Auftau-Zyklus kommt. Au Backe.)
Und während ich den Artikel und die teilweise noch viel grässlicheren Kommentare dazu gelesen hatte (leider vermischt sich hinterher vor Zorn manchmal Kommentar und Artikel in meinem Kopf, und der arme Autor des Artikels ist AN ALLEM Schuld), wusste ich genau, woran diese Autorin dabei dachte: an diese irre vielen Mütter, die angeblich ja durch Berlin-Mitte und die entsprechenden Hamburger Stadtteile schieben, immer mit dem teuersten Kinderwagen wo gibt, und immer mit diesen Kindern, die jedenfalls eines Tages mal nicht Fliesenleger oder Nagelpflegerin werden dürfen. Ich weiß ja auch, dass es solche Mütter bestimmt gibt. Irgendwo und irgendwann ist vermutlich auch mir schon eine davon begegnet. Aber gleichzeitig dachte ich wieder mal eine ganze Menge andere Dinge.
Zum Beispiel, dass diese Frauen, die ja angeblich jeden Innenstadtpark in Scharen bevölkern, viel seltener sind als die witzig gemeinten Artikel über sie. Ich wohne in einer von diesen Gegenden, wenn ich denen nicht ständig über den Weg laufe, dann kann es so eine Plage nicht sein.
Oder, dass es ja sein kann, dass es Frauen gibt, die sich mit ihrem Kind schmücken. Dass das aber noch lange nicht bedeuten muss, dass die ihr Kind nicht herzlich lieben und es NUR haben, weil in der Gala jetzt alle Kinder haben.
Oder, dass es im Wartezimmer meiner Kinderwunschklinik nur so mittel-stylo zugeht. Ist das bei euch anders? Oh Schreck, bin ich am Ende in einer unchicen Klinik gelandet? ("Entschuldigung, gibt es diese Eizelle auch in pink?")
Oder, dass da wieder mal zwei Dinge rein gar nichts, niente, miteinander zu tun haben: Kinderwunschbehandlungen und Kinder als Statussymbol. Diese Frauen, das sind alle die gleichen? Sprich, wir sind die und umgekehrt? Meint ihr echt jetzt? Oder was? Ich glaube nicht.
Oder, dass es meiner Vorstellung von Chic nicht unbedingt entspricht, für etwas zu kämpfen, dem man regelmäßig verschissene Windeln wechseln muss, das sich und andere vollspuckt und das einen an der Ausübung so ziemlich jeder anderen als chic allgemein anerkannten Tätigkeit vom Shoppen über Barbummel bis hin zu Bikram Yoga hindert. Es entspricht meiner Vorstellung von einer ganzen Menge Sachen, aber Chic oder Status gehört nicht dazu.
Oder, dass ich zum Beispiel meinen Sonntag mit zwei kleinen Berliner Mädchen verbracht habe, und die waren aus einem dieser Stadtteile, in denen angeblich doch niemand einfach nur gerne und von sich aus ein Kind haben will, und ich kann sagen, der Abend lief genau so, wie das meine Babysitter damals mit mir erlebt haben (und ich war als Kind mit Sicherheit kein Statussymbol. Erstens war meine Mutter 24, als ich kam, und noch nicht mit dem Studium fertig, zweitens hatte ich eine unfassbar status-zerstörerische Art, mich von klein auf zum Affen zu machen, und drittens gab es Zeiten, da trug ich eine Brille mit abgeklebtem Glas. Wenn das nicht unhip ist, was denn dann?): erst wurden die Schlafanzüge angezogen, dann haben sie uns ihr Spielzeug gezeigt, dann haben wir Bücher vorgelesen, und dann haben sie noch eine Cassette gehört und geschlafen. Das war sehr schön.
So läuft das in Berlin- Prenzlauer Berg, in den deutschen Mittelgebirgen, in Kassel, Jena, Igelsbach und vermutlich auch überall sonst, wo es Kinder und Babysitter gibt. Wenn ich die zwei Mädchen gefragt hätte: und, was meint ihr, seid ihr ein Statussymbol? Haben euch eure Eltern, weil ihr so schick seid? Die hätten einen Spaß gehabt. Die wären überhaupt nicht mehr ins Bett gekommen vor Kichern und schick sein.
Blödes Gerede. Wieso nervt es mich immer gleich zehnfach, wenn es erst mal gedruckt ist?
invisible apple cake
vor 4 Tagen
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