Freitag, 25. September 2009

"Sie lässt einfach nicht locker, was ist sie, besessen?"

Na gut, vielleicht war ich ja zu voreilig und hab mich in meinem Zorn dazu hinreißen lassen, die Theorie der TAZ nicht einfach mal mit ganz kühlem Blick unter die Lupe zu nehmen. (Wer immer noch nicht weiß, wovon zum Teufel ich hier die ganze Zeit schreibe, soll auf die wunschkinder-net-seite gehen, dort haben sie einen Link zu dem Artikel.)

Leicht überspitzt lautet diese Theorie folgendermaßen: Kinder sind heute so etwas wie ein Accessoire geworden. Und wen ein unerfüllter Kinderwunsch plagt, der hat somit eher so etwas wie ein Mode- oder Lifestyle- Problem. Warum können wir uns also nicht alle einfach auf unsere Berufe oder so besinnen? Muss das wirklich sein, all diese unfassbar schmerzhaften Kinderwunsch-Behandlungen, nur um am Ende mit dem weltgeilsten Kinderwagen und einem rausgeputzten Mini-Me durch unser Szeneviertel schieben zu können?

Ich möchte heute noch mal (und dann geb ich auch Ruhe) versuchen, das Thema in allen Aspekten zu beleuchten.

Erstens, der Bugaboo. Der Bugaboo ist sowas wie ein allgemein akzeptiertes Feindbild geworden. "Und dann diese Tussis mit ihren Bugaboos..." allgemeines Nicken in der Runde. Ich bin bisher noch nicht so weit gediehen, mir einen Kinderwagen auszusuchen. Vielleicht kommt das ja noch. Meine Mutter hat unsere alten nicht aufgehoben, sonst würde ich einen von denen nehmen, FALLS ES JEMALS BITTE BITTE SO WEIT SEIN SOLLTE. Ich kenne allerdings eine Frau, die einen Bugaboo hatte. Das ist jetzt mehrere Jahre her, aber so weit ich mich erinnere, gab es auch damals schon das Bugaboo-Feindbild, deshalb hat sie mir erklärt, warum. Sie sagte ungefähr: ja, der ist wirklich teuer, aber er hat auch lange lange Garantie, und wir wollen mehr als ein Kind, deshalb muss er eine Weile halten. Und er ist leicht, was nicht ganz unwichtig ist, wenn man nicht im Erdgeschoss und ohne Fahrstuhl wohnt und mitbekommen hat, dass den Nachbarn schon zwei Kinderwagen aus dem Hausflur geklaut wurden trotz Fahrradschloss - denn den kann ich einfach mit nach oben schleppen. Und er ist wendig und nicht so groß, so dass ich damit gut in Busse und U-Bahnen komme. Und ich kann das Oberteil abnehmen und habe dann gleich dieses Cosy-Dings. Und er lässt sich erst als Kinderwagen und später als Buggy verwenden, so dass er eigentlich zwei Kinderwagen ist. Alles in allem klang das ganz vernünftig.

Zweitens, die Sache mit der Selbstverwirklichung im Beruf statt in der Aufzucht kleiner Kinder. Ich glaube immer noch, dass man in einer Traumwelt lebt, wenn man glaubt, Menschen würden so ziemlich alles nur aus Selbstverwirklichung tun. Ich weiß nicht, wie es euch geht oder Frau Funck, aber ich muss Miete zahlen, Lebensmittel einkaufen und Stromrechnungen bezahlen. Und ich gebe zu, ich war immer eine von denen, denen ihr Beruf außerdem auch noch Spaß macht, aber da hab ich Glück und weiß das auch. Welche Art von Romantik ist das, in der man Frauen im Job grundsätzlich als Pionierinnen sieht, die echt was bewegen und die totale Erfüllung finden? Manche von uns sitzen an der Supermarktkasse. Oder machen irgendwelchen gelangweilten Tussen die Nägel. Kann natürlich sein, dass Frau Funck uns einfach nur ermutigend zurufen wollte: Hey, seht euch um, es gibt noch mehr auf der Welt als kleine Kinder. Aber das hat sie dann irgendwie ein bisschen ungeschickt gemacht.

Dann diese Nummer, dass für sie die Menge von Frauen, die bis 40 nur an ihrer Karriere gearbeitet haben und jetzt plötzlich eine Art Loch in ihrem Leben haben, weil sie merken, die Karriere macht sie nicht glücklich, deckungsgleich ist mit der Menge der Frauen, die sich einer Kinderwunschbehandlung unterziehen. Das sind jedenfalls die da, die da drüben, die wir nicht so mögen. Die Verbissenen.
In meiner Kinderwunschklinik sitzt das Wartezimmer oft ziemlich voll. Da sitzen dann Paare, die sind älter als ich. Das liegt in der Natur der Sache. Da sitzen aber auch viele, die sind bedeutend jünger als ich. Ich hab da bisher noch niemanden gesehen, der so aussah, als würde er viel Wert auf perfekte Accessoires legen oder ein halbes Monatsgehalt für eine Handtasche oder einen Kinderwagen ausgeben wollen. Um es kurz zu machen, die machen alle nicht den Eindruck von Leuten, die viele Gedanken an ihren Lifestyle oder den irgendwelcher schwangerer Promis verwenden. Heidi Klum ist schwanger, dann will ich aber auch! Danach, ehrlich, sieht das nicht aus. Davon abgesehen glaube ich, dass Menschen, die so viel Wert auf die perfekte Fassade legen, das viele Geld lieber nicht in Hormone, sondern in Schuhe und Getränke in der richtigen Bar stecken würden.

Was mich ja wirklich mal interessieren würde, ist die Antwort auf die Frage, warum mich das so beschäftigt.

Wieso darf ich nicht einfach ein gesundheitliches Problem haben? Eins, bei dessen Lösung mir meine Ärzte helfen? Warum habe ich angeblich ein Problem mit meiner Einstellung? Wieso soll das Problem im Kopf liegen? Liebe Journalisten, darf ich vorstellen: mein Gehirn. Meine Eileiter. Saubere 50 Zentimeter voneinander entfernt und organisch klar unterscheidbar.

1 Kommentar:

  1. Liebe Flora, Du hast vollkommen recht. Es ist völlig lächerlich zu glauben, dass Frauen nur aus Gründen der Selbstverwirklichung einen Job haben. Pffff ! Scheiße, wir brauchen die Kohle. Wenn das nicht wäre wüßte ich auch genug andere Dinge mir die Zeit zu vertreiben. Gruß, Marla

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