Samstag, 7. Januar 2012

Die Glückwunschfalte

Ihr seid Zeugen: ich habe immer redlich versucht, mich für alle zu freuen. Wirklich! Und es war noch nicht mal gelogen, wenn ich der anderen Dame ins Gesicht gestrahlt habe und gesagt habe, was man halt so sagt. Ich saß auf dem Sofa, während L. Telefonierend neben mir stand, ubd wurde hellhörig, wenn er während dieses Telefonats Sachen sagte wie "Ich freu mich für EUCH ('euch' ist in dem Fall immer eindeutig) oder auch "wisst ihr schon, was es wird?", dann blätterte ich zwar weiter in meiner Zeitung, aber was da drin stand, war dann auch egal. Und wenn L. dann auflegte und mir erzählte, welcher seiner Freunde jetzt schon wieder ein Kind kriegt, dann habe ich mich nicht nur gefreut, sondern es war auch klar, beim geringsten Anzeichen, dass ich es nicht tue, wird es schwierig. Denn dann kommen die Ermahnungen ("stress dich doch nicht so, denk dran, wie gut es uns geht"), die Vorwürfe ("Na toll, jetzt mach nicht so ein Gesicht") und die Sorgen ("ist das denn so schlimm?") und das schon, wenn mein Lächeln nicht die volle Garnitur Zähne zeigte (was bei jemanden, der so viel Knoblauch isst wie ich, mannigfaltige und nicht immer kinderkummerbedingte Gründe haben kann). Einerseits habe ich mich wirklich gefeeut. Wirklich! Bleibt einem ja auch nichts anderes übrig, außerdem ist es Fruchtbarkeitsvoodoo: Fremdfreuen bringt Glück. Andererseits kann man die Formulierung "wirklich freuen" manchmal getrost ersetzen durch die Formulierung "gefälligst freuen". Anders als bei Schwangerscgaftstests können hier zwei Wahrheiten ganz bequem nebeneinander herexistieren.

So weit. Und jetzt liege ich in meinem Wiener Hotelbett, überlege, welche Mehlspeisen ich heute in welcher Reihenfolge und in welchem Kaffeehaus essen werde, und lese dazu passend den neuen Blogeintrag des wednesday chefs. Und sie ist schwanger. Ja sowas! Ein Junge, er kommt im Juni, mit kräftigem Herzschlag! Und einen Moment will ich diesen Fress- und Kochblog, den ich jetzt schon so lange so gerne lese, aus meiner Blogroll werfen. Auf einmal merke ich, wie dünn bespannt ich plötzlich bin, und wie mich das alles nervt. Dieses Gerede beim ersten mal gleich zack, glücklich schwangerer Paare darüber, wie sie das selbst gar nicht glauben können, und ich versteh meinen Zorn überhaupt nicht. Was können die denn dafür, dass ich vermutlich auch im vierten Monat niemals davon ausgehen werde, im Sommer ein Kind zu kriegen? Hab ich mich die ganze Zeit angeligen? Warum ist diese iphone-Tastatur nicht ein bisschen grôßer? Hört das bitte schnell wieder auf, bevor mir noch meine erste Ranzfalte wächst deswegen?

Außerdem Telefonat mit Klinik, kurzes Protokoll, heute schlucke ich mein letztes Pillchen.
Ich würde so gerne ruhig, bester Dinge und hoffnungsvoll starten. Verdammt, was ist bloß los mit mir? Warum kriege ich es gerade nicht hin, während ich in dieser wunderschönen Stadt sitze und ganz dummelig bin vor lauter Essen und Theater und L., und sonst schaffe ich es an jedem stinknormalen verregneten, stressigen Dienstag?

6 Kommentare:

  1. liebe flora, wahrscheinlich weil 10000 mehlspeisen und schöne städte nicht den schmerz und wunsch in uns lindern können, den wir in uns tragen. das neue jahr ist gerade mal 7 tage alt, ich hab mich gegen weitere versuche entschieden und sage jeder freundin, also bitte sags mir gleich wenn es bei euch klappt, ich muss ja lernen das zu verarbeiten udn zu verkraften. schöner schwachsinn, wenn dann wie letzten mittwoch abends die info der guten freundin kommt, der test war positiv, dann rassel ich wieder ganz nach unten durch, ich könnte heulen, schreien, wutanfälle kriegen- was heißt hier ich könnte, ich habs ja getan. udn das hat nix und gar nix damit zu tun, dass ich es ihnen nicht gönne, sondern nur,dass ich unendlich traurig und wütend darüber bin,dass die vermeintlich natürlichste sache der welt bei uns nicht so natürlich ist und nicht mal künstlich funktioniert.mein mann ist da auch auf dem trip: freu dich doch für sie, sieh mal was wir alles haben und uns gönnen können..ja toll, wir können um die welt fleigen, aber das haben die anderen bisher nichtmal getan, sie werden es nicht vermissen, sie verzichten auf nix und bekommen doch was hinzu,sind älter als wir und hatten nach angabe bisher kaum gelegenheit an der familienplanung zu "arbeiten" und na ja dann schwupp es halt gleich geklappt, grrrrrr, so und da hilft auch die schönste sachertorte nix dagegen.

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  2. Liebe Flora,

    das Tief geht vorbei. Und wir alle hier wissen, dass "Zack - es klappt" für uns leider nicht gilt -und dass es normal ist, dass uns das ab und zu trotzdem trifft, es von anderen zu hören.

    ABER: Du kannst ein paar Tage im tollen Wien geniessen (Neid!), bist so gut vorbereitet und von der Klinik gibt es jetzt auch grünes Licht... Und auch, wenn Du im Sommer kein Kind kriegst - ein dicker Bauch wäre schon drin!!

    Freu´ Dich also drauf! Sonst tu ich das für Dich.

    LG, N.

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  3. Wien ist soooo spießig. Lang und weilig. Da kann man nur schwanger werden...

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  4. Liebe Flora,

    ich schaffe im Moment noch nicht mal ein gekünsteltes Lächeln weil es mir einfach weh tut. Schrecklich, ich weiß. Aber gerade kann ich nicht anders.

    LG, Emma

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  5. Wien ist toll - geniesse ein Stück Anna-Torte für mich, falls Du nicht schon wieder daheim bist :-)

    Solche Tiefs kenne ich auch - der Cousin meines Mannes "musste" letztes Jahr heiraten. Seine Jetzt-Frau ist schon über 40, und sie hatten anscheinend einen "Unfall". Da konnte ich mich auch nicht für freuen.

    Hoffe, Du kommst bald wieder raus aus Deinem Tief!

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