Samstag, 28. Januar 2012

Tag 22

Ich laufe mit Lili durch die Kleingartenanlage, und alles ist gut. Ausnahmsweise verabschiedet sie sich heute nicht durch kaputte Zäune in verwahrloste Gärten, um nach solchen Schätzen wie kaputten Gummibällen zu suchen, wir treffen alle paar Meter einen spielbereiten Hund, seit Wochen werde ich endlich mal wieder nicht nass, der Schnee knirscht unter meinen Stiefeln, und da hinten zeigt sich sogar... warte mal, ist das die Sonne? Kann das sein? Und dabei grinse ich die ganze Zeit in mich hinein, denn da drinnen tut sich was. Ich spür das! Irgendwas ist anders! Ganz sicher! Irgendwas nimmt seinen Lauf. Und dann würde ich mir am liebsten schon wieder eine schallern. Denn genau so war es bisher jedes einzelne Mal. Was reitet mich denn, jetzt wirklich wissen zu wollen, ob sich da drinnen gerade ein kleiner Zellhaufen eingräbt? Kann man sowas überhaupt merken? Das schwatzhafte Internet liefert ca. zwei Milliarden Treffer, wenn man so doof ist, so etwas wie "Einnistung spüren" zu googeln. Und klar, wieso soll man von so etwas Wichtigem nicht auch etwas mitbekommen? Wo doch wir Frauen sowieso so etwas wie ein Urgefühl dafür haben, wenn solche urweiblichen Dinge passieren? Weil ich bisher fast jedes einzelne Mal das Gefühl hatte und bisher kein einziges Kind habe. Vielleicht ist die halbe Brevactid verantwortlich für dieses besondere innere Rumoren, vielleicht Crinone, vielleicht das Wetter, vielleicht pfeift mir auch gerade mein Frühstück durch den Darm.

Also schön, vielleicht ist jetzt ja schon der Zeitpunkt für die Trostliste: was tue ich, wenn es diesmal nicht klappt? Als Erstes: der nächste Versuch wird besser. Denn der Fehler, gegen Ende den Hormonhahn einfach zuzudrehen, mache ich nicht noch mal, und so lange ich bei klarem Verstand bin (Harr!) auch meine Ärztin nicht. Dann können wir außerdem alles über die Krankenkasse abrechnen, während wir diesmal 80% der Medikamente allein bezahlen müssen, egal ob Krankenkasse oder nicht*. Es bestünde die Chance, mit den Mädchen im August noch mal in die Sonne zu fliegen - wenn ich jetzt schwanger werde, bin ich im August im achten Monat, das würde schwierig. Sehr schwierig. Wer will schon den Inhalt einer geplatzten Fruchtblase in seinem Pool? Mit dickem Bauch im sechsten Monat die Poolmutti spielen würde dagegen 1A funktionieren. Und ich würde noch am Tag des negativen Tests in mein altes, feines Fitnessstudio Meridian laufen und Mitglied werden. Wenn man in einem Altbau aus den Zwanzigern mit einfachen Scheiben lebt, wächst die Sehnsucht nach einer gepflegten Saunalandschaft ab der zweiten Augusthälfte ins Unermessliche.
Aber erst in elf Tagen. Erst dann.

* Hab ich schon erzählt, dass wir uns laut Rückübertragungsarzt auch erst nach dem Test dafür entscheiden können, diesen Versuch abzurechnen? Sollte der Test positiv sein, machen wir das natürlich. Ist er negativ, darf die Kasse nächstes Mal ran.

5 Kommentare:

  1. Liebe Flora,

    wir glauben halt immer wieder an unser Wunder. Egal, wie oft wir schon von unserem Lufschloss gefallen sind. Genieß die Sonne. LG, Emma

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  2. wieviele geocaches hast du schon in dem kleingartengebiet gehoben? oder ist grad geochachingpause? das mit dem einnistenspüren erwischt uns immer wieder,gell? aber ich hatte beim ersten mal auch tatsächlich die junge arzthelferin beim blutabnehmen zum sstest,die michfrgate: und? spüren sie eine veränderungß na bitte dachte ich,also doch, ich spüre nix, hätte aber wohl was spüren sollen, sonst hätte sie ja so nicht gefragt und was war: test negativ...was das aber bei den 3 anderen versuchen dann ausgelöst war ja klar, ich habe schon vor den bluttest gewusst es hat nicht gekplappt, denn ich sürte ja nix. aber dann beim 4.icsi versuch: ich hab meine krümel inständigst gebeten bei mir zu bleiben, sich festzukrallen usw. und hab an ein wudner geglaubt, denn kurz darauf haate ich solche schmerzen in den beinen, dass ich dachte ich flipp aus, aber das war das zeichen, ja mein körper sagte mir: hier verändert sich was und ich hab gedacht, kein schmerz der welt ist so schlimm, dass er sich nicht lohnt auszuhalten, und meine babys beißen sich grad fest..ergebnis: pustekuchen, vielleicht waren sie in die beine gerutscht,aber sonst auch nix, kein festhalten, festkrallen oder einnisten...

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  3. Liebe Flora,
    jetzt habe ich gerade in einem Rutsch Deinen IVF-Versuch bis heute nachgelesen. Ist ja mal wieder ne echte Wundertüte...
    man weiß nicht nur erst am Ende, ob sich der Kauf gelohnt hat, man weiß auch schon zwischendrin nie, was man da alles rauszieht an Überraschungen :-)
    Ein wilder Ritt, meine Liebe. Enjoy it :-) Meine Daumen haste auch. LG, die Funny

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  4. Liebe Flora,

    ich möchte Dir auf diesem Weg aus vollem Herzen für Dein tolles Buch danken! Ich habe seit meiner Kinderwunsch-Behandlung Unmengen an Fachliteratur vertilgt und Dein/Euer Buch ist das einzige, das mich nicht wütend gemacht hat, weil es voller esoterischem Mist ist bzw. ständige Vorwürfe an Kinderlose beinhaltet (zu viel/zu wenig entspannt/noch nicht bereit/innere Verbindung zum Kind zu locker usw. usw. *kotz).
    Ich habe mich verstanden gefühlt und Du hast mir gezeigt, dass man aus dieser ganzen Sache mit innerer Stärke und viel Katastrophenhumor unbeschadet rauskommt ohne einen Knacks davon zu tragen.
    Das ist vielleicht ein schwacher Trost für Dich, denn Dein Ziel ist es ja, Mama zu werden, und nicht weiblicher Guru für uns durchgedrehte Clomifen-Junkies. Aber würdest Du nicht in Deiner Behandlung stecken, wären einige von uns hier noch verzweifelter und hätten nicht so ein tolles Vorbild an Gelassenheit und Lebensfreude.

    Tausend Dank an Dich und Simone Widhalm!!

    Und noch ein paar gedrückte Daumen kommen hinzu.

    Übrigens, einer Deiner letzten Postings lässt durchblicken, dass Adoption für Dich durchaus ein Thema sein könnte... Vielleicht hast Du ja mal Lust, darüber zu bloggen?

    Liebe Grüße

    Felicitas

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  5. Liebe Flora,

    auch ich hoffe mal wieder... mit dir mit...und auch mit mir selber...halten wir es also alle wie Emily Dickinson:

    "Hope" is the thing with feathers—
    That perches in the soul—
    And sings the tune without the words—
    And never stops—at all—

    Deine Edda

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